Meinung Darum ist es falsch, die AfD unter Verfassungsfeindlichkeit-Verdacht zu stellen

Meinung · Die pauschale Ankündigung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die AfD bundesweit als Prüffall einzustufen, hilft leider nicht, die Spreu vom Weizen zu trennen. Ein Kommentar.

 Alexander Gauland und Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD.

Alexander Gauland und Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Man muss kein Gegner der AfD sein, um festzustellen: Diese Partei ist mit den Jahren immer weiter nach rechts gerückt. Die AfD-Führung glaubt, die Völkischen und Identitären noch zu gebrauchen. Sie meint, jetzt in der Ausbauphase keine Wählergruppe ausgrenzen zu dürfen, vor allem nicht im Osten. Und sie denkt, sie werde die Extremisten schon unter Kontrolle behalten. Das haben in der deutschen Geschichte andere Rechtskonservative auch schon gedacht. Und sich geirrt.

Unter dem Einfluss der Völkischen findet eine Radikalisierung und Selbstradikalisierung statt. Manche aus der Gründergeneration und manche „Liberale“ in der AfD sollten jetzt einmal darüber nachdenken, welche Büchse der Pandora sie hier gerade öffnen lassen, ohne etwas zu sagen. Schleichend sind Begriffe wie Umvolkung, Lügenpresse, Volksverräter, Messer-Migranten, Denkmal der Schande und Ähnliches gängige Sprache in der Partei geworden. So haben die Leute um Bernd Lucke nicht angefangen. So hat auch Gauland vor drei Jahren noch nicht geredet.

Der demokratische Rechtsstaat darf sich von seinen Feinden nicht auf der Nase herumtanzen lassen, auch nicht, wenn diese im Parlament sitzen, auch nicht, wenn sie demokratisch gewählt sind. Unser Gemeinwesen ist liberal. Aber nicht naiv und nicht wehrlos. Das ist die Lehre aus Weimar. Und trotzdem ist es falsch, die AfD nun in Gänze unter den Verdacht einer möglichen Verfassungsfeindlichkeit zu stellen, statt gezielt nur gegen einzelne Gruppen wie den Höcke-Flügel oder die Junge Alternative vorzugehen. Es ist taktisch falsch und es ist inhaltlich falsch.

 Werner Kolhoff.

Werner Kolhoff.

Foto: k r o h n f o t o . d e

Viele AfD-Mitglieder, erst Recht ihrer Wähler, sind ganz normale Leute. Menschen, die ein Problem haben mit Flüchtlingen. Mit dem Islam. Mit Kriminalität. Mit Europa. Das mag zwar geschürt sein. Oder dumm. Oder kurzsichtig. Oder alles zusammen. Aber es ist nicht verboten, solche Probleme zu haben und andere Antworten darauf zu geben, als der Rest der Parteien. Es darf nur darum gehen, ob mit demokratischen Mitteln um Mehrheiten gekämpft wird oder nicht. Und ob man die Verfassung achtet, also auch Minderheiten. Ja, bei manchen AfD-Mitgliedern macht einem die Vorstellung Angst, sie bekämen einmal Gewalt über ihre Kritiker. Bei manchen sogenannten Antifa-Leuten freilich auch.

Die klare Abgrenzung von den Extremisten fehlt. Das ist der große Makel der AfD. Solange sie diese nicht vollzieht, wird sie keine normale rechtskonservative Partei, keine CSU mit Flüchtlingsfimmel. Und auch nicht koalitions- und regierungsfähig. Die pauschale Ankündigung des Bundesamtes für Verfassungsschutz hilft leider nicht, die Spreu vom Weizen zu trennen. Sie ist sogar fatal, weil sie gegenteilige Wirkung entfalten wird: Noch mehr Abkehr von der Demokratie und ihren Institutionen. Um deren Schutz es doch geht.