Meinung Was der Streit um die Äußerungen Stefan Kretzschmars über Deutschland aussagt
Meinung | Berlin · Der Streit um Äußerungen des einstigen Ausnahmehandballers Stefan Kretzschmar zeigt eindrucksvoll, was gerade los ist in Deutschland. Es sind nicht mehr nur Missverständnisse.
Oder Aufgeregtheiten. Es ist missverstehen wollen. Und aufgeregt sein wollen. Kretzschmar hat nichts geäußert, was die Rechten dazu berechtigen würde, es begeistert in ihren Foren zu teilen. Er ist kein Kronzeuge für ihre Forderung, mit der politischen Korrektheit Schluss zu machen. Er hat auch nichts formuliert, was die „Bild“-Zeitung zu der Frage berechtigt hätte: „Darf man wirklich nicht mehr alles sagen?“
Man darf, bis zur Grenze der gesetzlichen Beleidigungs- und Volksverhetzungsverbote. Auch Sportler. Nur unterliegen die, wenn sie ihre Popularität nutzen wollen, um politisch Stimmung zu machen, besonderen Bedingungen. Viel Geld verdienen und gleichzeitig viele Leute vor den Kopf stoßen, das geht eben nicht immer zusammen. Dann schreiten Verein und Werbepartner mäßigend ein. Auf nichts anderes hat Kretzschmar hingewiesen und bedauert, dass es deswegen so wenig Sportler mit Ecken und Kanten gibt. Er selbst ist da übrigens eine rühmliche Ausnahme, eher freilich von Links.
Mund halten und kassieren oder mutig sein und angefeindet werden: Vor dieser Alternative stehen Publikumslieblinge eigentlich immer, ob aus dem Sport oder aus anderen Bereichen. Am besten man trifft diese Entscheidung bewusst und tappt nicht – wie Mesut Özil – unbedarft in sie hinein. Özil wurde für seine „freie“ Meinungsäußerung mit einem rechten Shitstorm abgestraft. Kretzschmar wäre es auf der linken Seite für seine Binsenweisheit nun fast ähnlich gegangen.
Das zeigt, wie sehr heute jedes Wort (und jedes Foto sowieso) auf die Waage gelegt wird. Untersucht wird dort freilich nicht mehr der Wahrheitsgehalt. Sondern nur noch die Tauglichkeit für Kampagnen aller Art.