Meinung Was die Machtspielchen bei SPD und CDU zeigen

Meinung | Berlin · Olaf Scholz hat das parteiinterne Spielchen um die Macht bei den Sozialdemokraten eröffnet. Doch der Vorstoß ist völlig kontraproduktiv. Und auch bei der Union läuft es nicht wirklich anders. Ein Kommentar.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) bei einer Pressekonferenz.

Foto: dpa/Carsten Koall

Olaf Scholz hat seinen Hut in den Ring geworfen. Zwar wird er nun sagen, sein „Ja“ habe sich nur auf die Journalistenfrage bezogen, ob er sich eine Kanzlerkandidatur zutraue. Nicht, ob er sie anstrebe. Aber Scholz weiß genau um die Wirkung seiner Antwort. Früher haben ausnahmslos alle Sozialdemokraten ähnliche Fragen noch mit der Floskel beantwortet, das Vorschlagsrecht dafür liege bei dem oder der Vorsitzenden, der oder die auch das erste Zugriffsrecht habe. Das gilt in der SPD anno 2019 offenbar nicht mehr. Das ist die eigentliche Neuigkeit.

Das parteiinterne Spielchen um die Macht bei den Sozialdemokraten ist eröffnet. Scholz’ offene Ankündigung ist eine Art Misstrauenserklärung gegen Andrea Nahles’ Amtsführung aus dem engsten Führungskreis. Doch der Vorstoß ist völlig kontraproduktiv, auch für Scholz selbst, der sich so wahrlich nicht beliebter macht. Die Partei steckt mitten in einer Phase der Profilierung, die sich Erneuerung nennt. Die Möglichkeit der Erneuerung in der Opposition inklusive. Und diskutiert nun über eine Personalie, die danach riecht, dass es in Wirklichkeit nur um die Fleischtöpfe der Macht geht.

Bei der Union ist es nicht viel anders. Die Merz-Anhänger wollen nicht aufgeben und bringen ihn immer wieder ins Spiel. Als Minister – da muss es mindestens das Wirtschaftsressort sein – oder als Regierungschef. Dass der Unterlegene von Hamburg nicht einmal bereit war, loyal im Kollegium der CDU-Führung in zweiter Reihe mitzuarbeiten, scheint niemanden zu stören. Der Mann soll nach oben. Die Operation hat einen weiteren Zweck: Die Autorität der neuen Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer soll infrage gestellt werde, noch ehe sie richtig mit der Arbeit begonnen hat. Auch hier taktische Spielchen.

Ein Kommentar von Werner Kolhoff.

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Nichts gegen Wettbewerb. Den Volksparteien tut es sogar gut, wenn es mal mehr Bewerber gibt. Die CDU hat das mit ihrem Auswahlverfahren für die Merkel-Nachfolge gezeigt. Sie sollte das auch für die Kanzlerkandidatur zulassen und in der Satzung regeln. Die SPD hat dafür immerhin schon einen Mitgliederentscheid als Möglichkeit vorgesehen. Für den Fall, dass es mehrere Bewerber gibt, was bisher nie der Fall war.

Es kommt freilich auf den Zeitpunkt an. Dies ist eine Debatte zur Unzeit. Erst 2021 geht der nächste Bundestagswahlkampf los, dann werden Spitzenkandidaten gebraucht. Ob auch seitens SPD, hängt übrigens stark davon ab, ob sie dann als Volkspartei noch existiert. Mit 15 Prozent können sich das alle Bewerber abschminken, ob Scholz oder Nahles. Auf die Bürger wirken diese Personaldiskussionen verheerend. Denn sie zeigen, wie weit weg die Volksparteien von den wirklichen Themen sind. Wie sehr sie Nabelschau betreiben. Und das in solchen Zeiten.