Meinung Da läuft was schief
Meinung · Die jüngste Meta-Studie zur Kieferorthopädie bestätigt das, was Kritiker schon seit Jahren monieren: Die Behandlung schiefer Zähne ist ein gigantischer Markt, der sich eher an den Interessen der Leistungsanbieter als an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert.
Denn Letztere sind gerade bei Langzeitbetrachtungen noch lückenhafter, als man das bei so einem massenkompatiblen Thema vermuten könnte.
Dafür wird das blühende Geschäft mit den Zahnspangen noch durch den gesellschaftlichen Trend der Selbstoptimierung befeuert: Ein gewinnbringendes Lächeln erscheint in Instagram-Zeiten mehr denn je unverzichtbarer Bestandteil der persönlichen Karriereplanung zu sein. Und welche Eltern wollen ihren Kindern schon die Zukunft verbauen? Also wächst die Bereitschaft, auch privat noch tiefer in die Tasche zu greifen. In der Summe werden immer mehr Kinder immer länger und immer extravaganter behandelt – mit immer höheren Kosten. Ein Irrsinn?
Zum Teil ja. Aber der Umkehrschluss, der Kieferorthopädie aus dem Leistungskatalog der Kassen zu streichen, wäre es auch. Psychosoziales Wohlbefinden ist ein berechtigter Bestandteil der Gesundheitsversorgung. Auch die Psychologie lebt davon. Und schöne Zähne allein zu einem Privileg der Reichen zu machen, würde ein weiteres Feld der sozialen Spaltung eröffnen.
Mit den Zahnspangen läuft etwas schief. Aber das kann korrigiert werden: durch fundierte Forschung, durch eine Reduzierung der Überversorgung, durch klare Standards, was nötig ist und was teurer Firlefanz. Vorschläge dafür liegen schon längst auf dem Tisch. Man wollte sie bisher nur noch nicht so recht wahrnehmen.
Zu den Maßnahmen, um die Kieferorthopädie wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, gehört aber auch die Bereitschaft der Eltern, die Pathologisierung ihrer Kinder nicht selbst mit Feuereifer zu betreiben. Ein verklemmtes Lachen ist mit Sicherheit krankmachender als ein schief stehender Zahn.