Diät fürs Volk, Diäten für die Volksvertreter

Das Signal ist verheerend: Die Abgeordneten des Bundestags gönnen sich eine Gehaltserhöhung, von der die meisten Arbeitnehmer nur träumen können. Wie will Finanzminister Steinbrück nun noch glaubwürdig seinen Sparkurs vertreten? Mit welchen Argumenten soll Bundeskanzlerin Merkel überzeugend gegen die Steuersenkungspläne der CSU oder den Mindestlohn argumentieren?

Die atmosphärischen Nachwirkungen der außerplanmäßigen Diätenerhöhung können kaum überschätzt werden. Bei vielen Menschen dürfte sich der Eindruck erhärten, dass die Große Koalition bei den Bürgern Geld kassiert, während sie es sich selbst spendiert. Das Vertrauen in die Politik steht auf dem Spiel.

Abgeordnete, die hohe Managergehälter geißeln und selbst zulangen, machen sich schlicht unglaubwürdig. Es ist gar nicht so lange her, da zitierte Angela Merkel aus einer Allensbach-Studie, der zufolge nur noch 15 Prozent der Deutschen die wirtschaftlichen Verhältnisse als gerecht ansehen. An einem solchen Befund könne die Politik "nicht wortlos" vorübergehen. Höflich, aber erkennbar gab die Kanzlerin der Wirtschaft einen Großteil der Schuld. Doch, wie sich nun wieder zeigt, ist es auch die Politik, die Verdrossenheit schürt und das Vertrauen in die Demokratie untergräbt.

Der Eindruck entsteht, dass die Große Koalition mehr nimmt als gibt. Viele Menschen haben das Gefühl, dass der Aufschwung bei ihnen nicht ankommt. Aktuell hat der BDI folgende Rechnung aufgemacht: In die Kassen des Staates sind in den Jahren 2004 bis 2007 Mehreinnahmen von 91 Milliarden Euro geflossen, doch im gleichen Zeitraum kamen davon nur 18 Milliarden Euro wieder bei den Arbeitnehmern an.

Es mag ja richtig sein, dass die aktuelle Gehaltserhöhung Folge der im November vom Parlament beschlossenen Diäten-Systematik ist. Doch die Konsequenz - für jeden Abgeordneten rund 1000 Euro mehr Gehalt pro Monat innerhalb von zwei Jahren - ist den Bürgern nicht zu vermitteln. Die Große Koalition sollte in sich gehen und bei der Gehaltsregelung nachbessern. Am besten wäre eine echte Diäten-Reform. Eine unabhängige Kommission mit der Festsetzung der Abgeordnetenbezüge zu betrauen, könnte zumindest ein erster Schritt sein.