Meinung Die Deutschen und die Angst
Mit den Ängsten ist das so eine Sache. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen Terroranschlag ums Leben zu kommen, ist extrem gering. Vermutlich räumt man eher im Lotto ab. Oder, um auf die Übel dieser Welt zurückzukommen, man erkrankt an Krebs oder fällt einem Unfall im Straßenverkehr zum Opfer.
Was natürlich auch nicht beruhigen kann.
Aber es gibt nun mal eine Kluft zwischen gefühlter, subjektiver Angst und realer Gefahr. Man fürchtet sich mehr vor einem Attentäter als vor anderen Autofahrern auf der Autobahn. Es gehört zu den grundsätzlichen Ausprägungen der menschlichen Psyche, dass Gefahren falsch eingeordnet werden — insbesondere dann, wenn ein Ereignis eine immense mediale Aufmerksamkeit erfährt. Wenn man also diese Erkenntnis berücksichtigt, wird der Studie zu den Ängsten der Deutschen an mancher Stelle ein wenig die Dramatik genommen. Zumal laut der Erhebung das Angstniveau in Deutschland zwar immer noch hoch, aber trotzdem gesunken ist.
Womit die andere Seite der Medaille ins Spiel kommt. Ängste spiegeln selbstverständlich auch den Zustand einer Gesellschaft wider. Dem Land geht es wirtschaftlich gut, und die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie lange schon nicht mehr. Das sind Fakten. Also sorgen sich weitaus weniger Menschen um ihre berufliche Zukunft. Gleichzeitig treibt die innere Sicherheit viele Menschen um, ebenso die Folgen der Zuwanderung. Dafür gibt es nicht nur gefühlte, sondern reale Gründe. Für die Politik bedeutet dies: Sie kann und darf Ängste nicht ignorieren, sie muss ihr Handeln nicht nur, aber auch nach ihnen ausrichten. Denn wenn ein Angstniveau erst einmal enorm ist, produziert es Frust und Wut. Das ist in diesem Wahlkampf bei vielen Veranstaltungen zu beobachten. Wobei auch gilt: Angst und Sorgen sind kein Freifahrtschein für Pöbeleien.