Meinung Die Wirtschaft ist nicht familienfreundlich genug

Bei aller Wertschätzung, die das Elterngeld heute, zehn Jahre nach seiner Einführung, zu Recht genießt: An zementierten Geschlechterrollen bei der Kindererziehung hat die staatliche Transferleistung wenig geändert.

Auch ist die Geburtenrate seit 2007 nicht exorbitant in die Höhe geschnellt. So sehr die Bilder von windelwechselnden und breikochenden Vätern auch medial beschworen und von der Politik kultiviert wurden — der Realität entsprechen sie noch immer nicht. Gerade mal eine zweimonatige Auszeit vom Job erlaubt sich ein Großteil der Männer, um sich der Familie zu widmen. Auch macht nur ein Drittel der Väter von der Möglichkeit überhaupt Gebrauch, wohingegen zuletzt 60 Prozent der Mütter vorübergehend Bürostuhl gegen Kinderwagen getauscht haben.

Die Rückkehr in den Job birgt für Frauen noch immer Herausforderungen und Unwägbarkeiten, wenngleich viele Arbeitgeber sich bewegen und mit verschiedenen Modellen Hilfen für den Wiedereinstieg in den Beruf leisten. Auch hat sich das Betreuungsangebot bereits spürbar verbessert — wenn auch der Bedarf an Kita- und Krippenplätzen bei Weitem noch nicht gedeckt ist. So sind es in der Regel immer noch Frauen, die bei der beruflichen Selbstverwirklichung Abstriche machen und mit Teilzeitarbeit den ewigen Spagat zwischen Familie und Beruf zu meistern versuchen. Im Falle einer Trennung drohen ihnen nicht selten gravierende Versorgungslücken, die im schlimmsten Fall in der Altersarmut enden können. Dabei brauchen Kinder ihre Väter, während die Wirtschaft sich nicht mehr leisten kann, auf qualifizierte weibliche Fachkräfte in ihren Unternehmen zu verzichten.

Die verkrusteten Strukturen sind nicht den Männern anzulasten, die sich in selbstgefälligem Chauvinismus um familiäre Pflichten drücken wollten. Im Gegenteil wünschen sich viele Väter, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können. Doch viel stärker als Frauen fürchten sie im Beruf den Verlust von Status und Reputation, wenn sie ihrem Arbeitsplatz länger fernbleiben. Gerade in der Geschäftswelt sind archaische Männlichkeitsbilder bis heute tief verankert. Denn häufig wird im Sinne einer überzogenen Präsenzkultur die körperliche Anwesenheit eines Arbeitnehmers mit seiner Leistung gleichgesetzt.

Das Elterngeld war ein gutes Instrument, um politisch die Weichen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für alle zu stellen. Jetzt muss die Wirtschaft nachziehen.