Entschlossen gegen Antisemitismus

Der schmale Grat zwischen Kritik an Israel und Judenhass

Ein Kommentar von Olaf Steinacker.

Foto: Young David (DY)

Am Sonntag brüllten die Demonstranten in Düsseldorf „Israel Kindermörder“ — in die Luft reckten sie bei dem polizeibewehrten Umzug durch die Innenstadt neben Flaggen der Palästinenser auch zahlreiche Deutschlandfähnchen. In Berlin musste am selben Tag ein israelisches Ehepaar vor gewaltbereiten Pro-Palästina-Demonstranten in Sicherheit gebracht werden. Zwei Tage zuvor eskalierte eine Kundgebung in Essen, Fotos zeigen Teilnehmer mit selbstgebastelten Plakaten, auf denen es heißt: „Früher angeblich Opfer — heute Täter“. Es flogen Flaschen, eine „Aktion“ gegen die Alte Synagoge in Essen wurde nur durch Festnahmen verhindert.

Auch wenn man davon ausgehen muss, dass ein Großteil der Demonstranten muslimische Wurzeln hat und womöglich eine sehr eigene Sicht auf den Nahost-Konflikt, zeigt sich, dass es in Deutschland ein Problem mit Antisemitismus gibt. Nicht den leidlich bekannten, der vermeintlich in der extrem rechten Ecke oder bei der radikalen Linken zu orten ist. Es geht vielmehr um jene Art von Judenhass, die sich als Kritik am Staat Israel tarnt und in der Mitte der Gesellschaft verankert ist. Ein ziemlich widerlicher Man-wird-doch-wohl-noch-sagen-dürfen-Antisemitismus.

Damit keine Missverständnisse entstehen: Kritik an Israels brutalem Vorgehen muss erlaubt sein, gleiches gilt für Demonstrationen, die klar Stellung für die berechtigten Anliegen der Palästinenser beziehen. Was hingegen unter gar keinen Umständen zu akzeptieren ist: Volksverhetzung, die Leugnung des Holocausts und Angriffe auf jüdische Menschen oder Einrichtungen im Windschatten von Demonstrationen, am besten noch mit dem Verweis auf das hohe Gut der Meinungsfreiheit.

Wer Antisemitismus, ganz gleich aus welcher Richtung er kommt, hinnimmt, duldet ihn. Wohlfeile Beteuerungen der Politik helfen kaum, entschlossenes Ein- und Auftreten hingegen schon. Dabei müssen es nicht gleich Demo-Verbote wie in Frankreich sein, der Rechtsstaat hat andere Möglichkeiten. Die Leugnung des Holocausts ist hierzulande eine Straftat und nichts, was man tatenlos hinnehmen muss. Dem Judenhass in den Köpfen kommt man damit wohl nicht bei. Dem offenkundigen auf der Straße aber schon.