Meinung Die Union und ihre vielen Brandherde
Meinung | Berlin · Die CDU stand einmal für Verlässlichkeit, einen klaren Machtanspruch und starke Führung. Doch das ist vorbei. Dabei geht es nach dem Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer vor allem um die Führungsfrage. Aber nicht nur.
Nach ihrer Rückzugsankündigung vor zwei Wochen ist über Annegret Kramp-Karrenbauer die politische Realität so schnell hinweggefegt wie zuletzt die Stürme „Sabine“ und „Yulia“ über Deutschland. Von dem, was sich die CDU-Chefin für einen geordneten Übergang vorgenommen hatte, ist fast nichts geblieben. Das Führungsvakuum in der Union wurde in Thüringen täglich sichtbar. Und der nun von den Parteigremien verabschiedete Fahrplan zur Bestimmung des neuen Vorsitzenden ist ein Eingeständnis des Scheiterns.
Die ursprüngliche Vorstellung, in Ruhe über den Sommer und dann beim Parteitag im Dezember die Personalfragen klären zu können, war politisch naiv. Auch die geplante direkte Verbindung von Vorsitz und Kanzlerkandidatur war so nicht durchzuhalten, wenn man bedenkt, dass ohne die CSU in der K-Frage keine Entscheidungen möglich sind.
Was aber vermutlich am schwersten wiegt: Der Plan, die Führungsfragen möglicherweise im Hinterzimmer mit den Aspiranten auskungeln zu können, ist spätestens durch die Kandidatur von Norbert Röttgen im Handstreich gekippt worden. Ausgerechnet die CDU, die sonst immer für Verlässlichkeit, klaren Machtanspruch und starke Führung stand, hat in den vergangenen Wochen wie ein Tollhaus gewirkt.
Showdown auf dem außerordentlichen Parteitag
Nun geht alles viel schneller, als gedacht. Das ist gut so. Eine Volkspartei wie die CDU lebt von der Geschlossenheit; das ist auch das, was die Wähler von der Union erwarten. Gleichwohl beinhaltet der Fahrplan Tücken – eine Teamlösung konnte AKK nicht herbeiführen. So dürfte es auf dem außerordentlichen Parteitag am 25. April zum Showdown zwischen den Kandidaten kommen. Die Entscheidung wird nur in die Hände der Delegierten gehen. Die Zeiten sind aber andere. Mitglieder erwarten Partizipation und Mitsprache. Der CDU hätte es gut zu Gesicht gestanden, ihre innerparteiliche Demokratie zu stärken und auch die Mitglieder zu befragen. Vielleicht wehrt sich die Basis noch. Dann wäre auch dieser Teil des Plans gekippt.
Darüber hinaus ist mit dem Ende der Personalquerelen noch kein einziges inhaltliches Problem gelöst. Thüringen wiegt nach wie vor schwer und das Verhältnis zur Linkspartei und zur AfD wird im Osten völlig anders gesehen als bei der Bundes-CDU. Der neue Vorsitzende wird also vor einem ähnlichen Problem stehen wie AKK. Hinzu kommt, dass die Union angestammte Milieus verloren hat. Großstadtpartei ist sie schon lange nicht mehr. Hamburg hat das nochmal bestätigt. Außerdem erbt der neue Chef ein Problem, an dem AKK vor allem gescheitert ist – das Nebeneinander zwischen Parteivorsitz und Kanzlerschaft. Ausgang offen.