Lieber Herr Altmaier! Nicht wählen geht gar nicht!
Geht wählen! Das war die Kernbotschaft aller Parteien, wann immer irgendwo in der Bundesrepublik ein Urnengang anstand. Und sie ist ja auch goldrichtig. Ohne Wähler, die sich frei entscheiden dürfen, kann eine Demokratie nicht funktionieren, hat eine Regierung keine demokratische Legitimation.
Umso erstaunlicher, dass jetzt ausgerechnet Kanzleramtschef Peter Altmaier Zweifel an den bewährten demokratischen Spielregeln nährt. „Selbstverständlich“ sei ein Nicht-Wähler besser als ein AfD-Wähler, hat er auf Nachfrage einer Zeitung gesagt. Nun ist die AfD zweifellos eine Rechtsaußen-Partei, die gegen Flüchtlinge hetzt, die Nazi-Vergangenheit verherrlicht und überhaupt ein gestörtes Verhältnis zur bundesdeutschen Demokratie pflegt. Vor diesem Hintergrund hätte Altmaier dazu aufrufen können, statt dieser Partei tunlichst seine eigene, die CDU, zu wählen. So wie das auch jeder andere Parteipolitiker in eigener Sache vor dem anstehenden Wahlsonntag tut.
Aber nicht zu wählen, das geht gar nicht. Altmaiers Ansage zeugt von einem hohen Maß an Arroganz gegenüber Protest-Wählern. Wer diese Auffassung vertritt, der braucht auch keine politische Überzeugungsarbeit mehr zu leisten. Der braucht sich im politischen Wettbewerb nicht mehr anzustrengen. Der macht es sich ganz einfach — und verschärft damit eher das Problem, das er doch eigentlich loswerden will.
Denn nun kann sich die AfD wieder einmal als politisches Opfer inszenieren. Ihre Anhänger dürften sich jetzt wohl zusätzlich darin bestärkt sehen, den „Altparteien“ an der Wahlurne einen Denkzettel zu verpassen.
In der Wahl der Mittel gegenüber dieser Partei hat sich Altmaier gründlich verwählt. Wahlenthaltung ist keine Option für die Bekämpfung rechtsradikalen Gedankenguts. Da hilft nur die offene und klare inhaltliche Auseinandersetzung. Das sollte auch ein Kanzleramtschef wissen.