Meinung Mehr Kinder, mehr Ehen und trotzdem getrübte Freude
Die Freude ist groß: So viele Kinder wie seit 15 Jahren nicht wurden 2015 in Deutschland geboren. In Nordrhein-Westfalen waren es mit 160 000 immerhin mehr als in den letzten 13 Jahren. Wer hinter den Zahlen des Statistischen Bundesamtes eine Trendwende vermutet, liegt freilich nur teilweise richtig: Ja, mehr junge Menschen wollen Kinder haben, die schon mehrfach totgesagte Familie mit Trauschein und -ring ist im Kommen.
Weil aber auch schlichtweg mehr Frauen im gebärfähigen Alter (zwischen 25 und 35 Jahren) sind und weil diese mehr Kinder kriegen — die Geburtenziffer pro Frau ist von 1,39 in 2011 auf 1,48 in 2014 gestiegen.
Die Zahlen könnten freilich höher ausfallen, wenn unsere Gesellschaft wirklich familienfreundlicher wäre, so dass Eltern Familie und Beruf vereinbaren könnten, ohne dass etwas oder jemand zu kurz kommt. Verbesserungen an der Kinderbetreuung und die Einführung der Elternzeit stehen einer vergleichsweise kinderunfreundlichen Gesellschaft gegenüber. Im Gegenteil gibt es im rechtspopulistischen Lager Kräfte, die überholte Rollenbilder reaktivieren wollen.
Und noch etwas trübt die Freude. Ebenfalls gestiegen ist die Zahl der Todesfälle — 204 373 in Nordrhein-Westfalen im letzten Jahr, so viele wie seit 40 Jahren nicht mehr. Folge: Es sind mehr Menschen gestorben als Kinder geboren worden. Ein Trend seit 1997, der höchste „Sterbeüberschuss“ im Bundesländer-Ranking. Der Grund dafür ist ganz einfach: Die Babyboomer (geboren zwischen 1955 und 1965 ) kommen in die Jahre. Heißt: Die Zahl der Sterbefälle wird in den nächsten Jahren weiter steigen.
Die Bevölkerungspyramide wird sich also nicht umkehren. An dieser Stelle fordern die einen (geregelte) Zuwanderung, bringen andere die Flüchtlinge und deren Familiennachzug ins Spiel. Vielleicht ist aber auch der Gedanke nicht falsch, die sozialen Sicherungsssysteme (endlich) auf ein neues Fundament zu stellen.