Meinung Spanien-Wahl: Der Brexit-Effekt - Keine Lust auf Experimente

Spaniens konservativer Ministerpräsident Mariano Rajoy jubelte nach seinem überraschenden Erfolg in der Parlamentsneuwahl. Aber es ist ein bitterer Sieg, denn Rajoy hat weiterhin keine ausreichende Mehrheit, um zu regieren.

Meinung: Spanien-Wahl: Der Brexit-Effekt - Keine Lust auf Experimente
Foto: Kai-Uwe Heinrich TSP



Rajoy ist der einsamste Wahlsieger, den Spanien je hatte. Denn im Parlament hat er die gesamte Opposition gegen sich. Freilich eine derart zerstrittene Opposition, dass sie nicht in der Lage ist, Rajoy von der Macht zu vertreiben.

Der erhoffte Befreiungsschlag war diese Neuwahl sicherlich nicht. Dabei hatten die Spanier wie die Europäer gehofft, dass die politische Hängepartie im Euro-Krisenland Spanien, das dringend neue Reformen braucht, schnell zu Ende ist. Danach sieht es zunächst nicht aus.

Klar scheint nach dieser Wahlnacht nur, dass der 61-jährige Konservative, der berühmt dafür ist, einen langen Atem zu haben, als einziger gestärkt aus diesem Kräftemessen an den Urnen hervorging.

Rajoy schaffte es erstaunlicherweise - trotz übler Korruptionsvorwürfe gegen seine konservative Partei - seine parlamentarische Macht auszubauen. Mit dieser Taktik des gnadenlosen Aussitzens will er nun wohl in den nächsten Monaten auch die Opposition weichkochen. Und so zumindest erreichen, dass sie eine konservative Minderheitsregierung toleriert.

Diese Strategie könnte sogar aufgehen. Denn Spaniens Linke, die auf einen politischen Wandel gehofft hatte, geht geschwächt aus diesem Wahlgang hervor. Eine Schicksalswahl, die unter dem Eindruck des Brexit stattfand. Ganz offenbar war die Angst vieler spanischer Bürger vor der Ungewissheit eines Neuanfangs größer als die Lust auf linke Experimente.

Zudem der Dauerstreit zwischen der linksalternativen Protestbewegung Unidos Podemos und den Sozialisten, die sich gegenseitig bis aufs Messer bekämpfen statt zusammenzuarbeiten, offensichtlich nicht gerade für Illusion bei den Bürgern sorgte. Die Oppositionsparteien haben es nicht geschafft, sich als stabile Regierungsalternative zu empfehlen.

Vor allem für den linken Rebell Pablo Iglesias, der die Protestallianz Podemos Unidos anführte, ist dieses Ergebnis ein empfindlicher Dämpfer. Er konnte zwar im Gegensatz zu den Sozialisten seine parlamentarische Stärke halten. Aber der Politologe, der sich als Rächer der sozial Benachteiligten sieht, hatte schon davon geträumt, Regierungschef zu werden - und deswegen im Königreich der Massenarbeitslosigkeit mit dem Feuer gespielt und auf Neuwahl gesetzt.

Ganz offensichtlich hat sich Iglesias bei diesem Pokerspiel verzockt. Seine Vision, dass Spanien künftig an der Seite Griechenlands gegen die Austeritätspolitik Brüssels kämpfen und der Europäischen Union die Zähne zeigen sollte, verschreckte mehr, als dass sie neue Wähler mobilisierte. Die Aussicht auf griechische Verhältnisse war halt in diesen bewegten Brexit-Zeiten für die Mehrheit der Spanier alles andere als verlockend.