Meinung Der Merz-Zug rollt – aber wohin will Laschet?
Meinung · Nimmt man die öffentliche Darstellung der vergangenen Tage auf, rollt der Merz-Zug los, wie im vergangenen Jahr der Schulz-Zug des SPD-Kanzlerkandidaten durch die Republik donnerte. Mitsamt Personenkult und grenzenloser Überhöhung desjenigen, der von außerhalb (Schulz aus Brüssel, Merz aus der Privatwirtschaft) vermeintlich unbelastet in den verrufenen Berliner Politikbetrieb eingreift, um die aus dem Ruder gelaufenen Zustände zu bereinigen.
Wie nachhaltig Friedrich Merz diese bei vielen gewiss vorhandene Sehnsucht nach einer starken Führungsfigur befriedigen kann, der die abgenutzten Schemata ablegt und eben mehr ist als bloße Projektionsfläche, werden schon die nächsten Tage zeigen, in denen auf den Hype der Widerstand und die Gegenbewegung folgen. Zur Wahrheit gehört, dass Merz in seiner Partei auf dem Wirtschaftsflügel zwar einen echten Fanclub hinter sich weiß, ihm viele im eigenen Haus aber nicht die Suppe gönnen, die es günstig auf dem CDU-Parteitag in Hamburg zu löffeln geben wird.
Aber: Mit der Entscheidung von Armin Laschet gegen eine Kandidatur hat sich die Architektur der gesamten Zeremonie verändert. Der echte Richtungsentscheid dürfte jetzt zwischen Merz und Annegret Kramp-Karrenbauer fallen. Der Kandidat Spahn gilt vielen in der Partei als nicht mehrheitsfähig: Sein etwas unbeholfener Rückgriff auf die „ungeklärte Flüchtlingsfrage“ in einem FAZ-Gastbeitrag erhärtet diesen Verdacht.
Dazu gesellt sich nun die Variable Laschet, dessen Plan viele Fragen hinterlässt. Will er dereinst Kanzler von Merz’ oder Kramp-Karrenbauers Gnaden werden, wenn im Bund nach Merkel eine Koalition mit FDP und Grünen winkt und Laschet sich seinen wenig heimlichen Koalitions-Leidenschaften mit Lindner (FDP) und Habeck (Grüne) hingeben könnte? Dann wäre er darauf angewiesen, dass der frisch gekürte Parteichef auf seinen gegebenen Anspruch auf das Kanzleramt verzichtet.
Alternativ gibt es nur zwei Möglichkeiten, was Laschets etwas verschwurbelte Absage samt Flirt mit dem Kanzleramt bedeuten könnte: Entweder plant er einen Beschleunigungsprozess in Gang zu setzen, mit dem er auf ein schnelleres Ende der Merkelschen Kanzlerschaft hinwirken will. Oder aber Laschet ist eben doch deutlich weniger ambitioniert, als man es zuletzt vermuten konnte. Dann allerdings triebe er ein gefährliches Spiel: Der sofortige Angriff der Grünen (Laschet als Ministerpräsident auf Abruf) wird nicht der letzte in einem Bundesland gewesen sein, in dem schon Laschets Parteifreund Norbert Röttgen 2012 erkennen musste, wohin es führen kann, wenn man sich alle Türen offenhalten will: Am Ende drohen alle verschlossen zu sein.