Meinung Merkel auf der letzten Runde

Die CDU hat in Essen Geschlossenheit demonstriert. Aber es war eine bemühte Show. Angela Merkel brauchte einen dramatischen Appell ("Ihr müsst mir helfen") und zudem noch die Ankündigung ihrer erneuten Kanzlerkandidatur, um dann doch nur ein schlechtes Ergebnis bei ihrer neunten Wahl als Parteivorsitzende zu erhalten.

Und sie konnte die kritischen Diskussionen um ihre Politik nicht unterbinden. Essen, die Stadt, in der sie vor 16 Jahren als CDU-Chefin begann, markiert den Anfang vom Ende ihrer Ära. Jetzt kommt ihre letzte Runde.

Eine Antwort auf die nach Rechts abdriftenden Wähler hat die CDU bisher nicht. Statt sich in der Flüchtlingsfrage klar zu positionieren und sich entweder mit den Rechten zu streiten, oder wie die CSU deren Positionen weitgehend zu übernehmen, versucht sie nun beides zu bieten: Zum einen eine rechte Sprache, vor allem bei nebensächlichen Themen wie Burkaverbot und Abschiebungen. Ihr folgt nun auch Merkel. Aber sie bleibt bei ihrer Verweigerung einer Obergrenze, ändert im Kern also nichts. So kommt man in der Auseinandersetzung mit der AfD nicht in die Offensive.

Merkel möchte den Wahlkampf ohnehin nicht mit dem Flüchtlingsthema führen, sondern lieber auf sozialem und ökonomischem Feld. Das ist mittelfristig für das Land zweifellos auch viel wichtiger. Doch für die schrumpfende Mittelschicht, die Angst vor dem Abstieg hat, und für die wachsende Unterschicht, die das Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft nicht mehr erlebt, blieb die CDU in Essen jedes Konzept schuldig. Steuerpolitisch mauerte man sich ohne Not erneut ein, in dem man Steuererhöhungen für die Reichen "grundsätzlich" ausschloss. Und bei der Alterssicherung, um die sich immer mehr Menschen sorgen, gab es nur sprachliche Formelkompromisse, aber keine überzeugenden Ideen.

Leidenschaft, Empathie und Emotion waren nie Merkels Stärke, aber ihrer Rede von Essen fehlte nun auch die rationale Überzeugungskraft. Keine Aufbruchstimmung, kein unbedingter Wille zum Sieg, keine Mission mehr. Merkels Bekenntnis, wie schwer sie sich mit der erneuten Kanzlerkandidatur getan habe, zeugt davon - das ist keine begeisterte Bewerbung um das höchste deutsche Regierungsamt und kann deswegen auch nicht mehr wirklich begeistern. Merkel und ihre Partei halten nur noch Gewohnheit, Pflicht und Risikovermeidung zusammen. Und zwar von beiden Seiten. Die amtierende Kanzlerin und ihre Union können von Glück sagen, dass die Rechten in Deutschland keinen entschlossenen und skrupellosen Wahlkämpfer wie Donald Trump gefunden haben, sondern bloß Frauke Petry. Und dass das linke Lager partout nicht zusammenfindet.