Merkels Türkeireise: Viel Emotion im Reisegepäck

Ein Kommentar von Martin Vogler

Wenn Angela Merkel in die Türkei reist, ist das kein normaler Staatsbesuch. Ministerpräsident Erdogan ist ein schwer berechenbarer Gesprächspartner, und sie hat zwei Themen im Gepäck, die viele Deutsche extrem aufwühlen: die Integration der Türken in Deutschland und die EU-Mitgliedschaft der Türkei. Die meisten Menschen hier erwarten, dass die Kanzlerin bei beiden Fragen klar deutsche Interessen vertritt. Doch tut sie das zu stark, hat sie ein Problem mit der heimischen Wirtschaft, die auf gute Geschäfte mit den Türken hofft.

Zur Integration hat Merkel bereits deutlich Position bezogen. Die deutsche Sprache zu erlernen, hält sie für genauso wichtig wie Gesetzestreue. Womit sie ihrem Gastgeber Erdogan widerspricht, der türkische Gymnasien gefordert hatte. Doch es ist sinnvoll, dass Angela Merkel in diesem Punkt so wenig diplomatisch reagiert. Denn Deutschland läuft heute bereits Gefahr, dass Migrantengruppen, die sich gegen die einheimische Gesellschaft abschotten und sie teilweise ablehnen, zum Dauerproblem werden. Von ihnen zumindest Sprachkenntnisse zu verlangen, hat nichts mit Intoleranz oder Fremdenfeindlichkeit zu tun. Das ist eher im Sinne dieser Gruppen, die nur dank einem gewissen Maß an Integration eine sinnvolle Zukunft haben.

Kompromisslosigkeit bei diesem Punkt ist besonders wichtig, weil ein großer Teil der deutschen Bevölkerung diffuse - und teilweise vielleicht auch unbegründete - Ängste vor angeblicher Überfremdung hat. Es wäre fahrlässig, wenn die etablierten Parteien dieses Thema nicht ansprächen. Rechtsradikale Gruppierungen würden liebend gerne in die Bresche springen und mit Menschen ins Gespräch kommen, von denen sie eigentlich skeptisch betrachtet werden.

Ebenfalls stark emotional diskutiert wird, ob ein islamisch geprägter Staat wie die Türkei wirklich als Vollmitglied zur EU passt. Deshalb kann sich Merkel bei der Beitrittsfrage nicht allein von sachlichen politischen oder wirtschaftlichen Gründen leiten lassen. Doch wenn sie zu ablehnend auftritt, verärgert sie nicht nur ihre Gastgeber, sondern auch die FDP. Denn noch im Januar hatte Außenminister Westerwelle beim Ankara-Besuch die EU-Perspektive der Türkei klar befürwortet. Und das ausdrücklich im Namen der Bundesregierung.