Meinung Mietpreisexplosion - Die Maßnahmen sind zaghaft, aber ein Anfang

Früher waren es nur die Studenten. Doch jetzt ist längst die Mittelschicht von Wohnungsnot betroffen, Alleinstehende wie Familien. Das Angebot ist knapp, die Preise explodieren. Und nicht allein der Zuzug aus dem Um- oder Ausland ist schuld.

Foto: k r o h n f o t o . d e

Es sind auch ökonomische Prozesse. Angestammte Bewohner werden verdrängt, früher lebendige Viertel entmischt.

Die ganz Armen bleiben zuerst auf der Strecke, und manchmal auch schon auf der Straße. Dann die anderen. Wie soll sich ein Briefträger, eine Krankenschwester, ein Erzieher heute noch Innenstadt leisten? Das Wohnen ist die neue soziale Frage geworden und zwar in der gleichen Dimension, wie vor 15 Jahren die Massenarbeitslosigkeit. Sie erzeugt auch die gleichen Existenzängste. Und erfordert deshalb gleich große, entschlossene Antworten.

Jeder Mensch hat ein Recht auf Wohnraum. Das ergibt sich aus Artikel 1 des Grundgesetzes, der unantastbaren Würde jedes Einzelnen. Und daraus leitet sich die Pflicht des Staates ab, dieses Recht auch zu garantieren. Doch noch immer wird die Ideologie des Marktes über dieses Grundrecht gestellt. Bauen, bauen, bauen sei die Antwort, heißt es. Doch es werden längst nicht die Wohnungen gebaut, die benötigt werden. Und der Grundstücksspekulation, die alles verteuert, wird nicht Einhalt geboten. Außerdem: Solange der Markt versagt, muss Mieterschutz der andere Teil der Antwort sein. Justizministerin Barley hat einen Gesetzentwurf zur Verschärfung der Mietpreisbremse vorgelegt. Die Maßnahmen sind zaghaft, aber immerhin ein Anfang.

Es gibt noch eine andere Seite der Medaille: die Vermieter. Niemand wird von ihnen verlangen, mit ihrem Eigentum kein Geld machen zu dürfen. Aber das ist kein Freibrief, jede Rechtslücke schamlos auszunutzen. Wie begründet sich die Verdopplung von Mieten in kurzer Zeit in schon abgeschriebenen Gebäuden? Wie der Wucher mit Modernisierungsumlagen? Wie die Tricksereien mit Eigenbedarfsklagen?

Es gibt sie noch, die Vermieter mit Moral, denen ein gutes Verhältnis zu ihren Mietern wichtig ist. Die möchten, dass der Stadtteil funktioniert. Aber diese Art von Eigentümern scheint weniger zu werden. Die Jungen haben oft nur noch Dollarzeichen im Auge, wenn sie ein Haus erben. Die seelenlosen Fonds erst Recht. Dabei gilt für das Wohnen auch ein zweiter Grundgesetzartikel: Eigentum verpflichtet. Wird er missachtet, und wird dieser Missachtung nicht entschlossen entgegengetreten, dann sprengt das unsere Gesellschaft direkt an ihrem Fundament.