Mindestlohn: In der CDU verschieben sich die Gewichte
Der Schwenk hin zum Mindestlohn
Wenn dieses Jahr zu Ende gegangen ist und die schwarz-gelbe Koalition Rückschau hält, werden die Bundeskanzlerin und ihre Weggefährten feststellen, dass vieles nicht mehr so ist, wie es war. Die Wehrpflicht, ein Eckpfeiler im Weltbild der Union — faktisch abgeschafft. Die Kernenergie, ohne die für Christdemokraten nichts lief in Industrie-Deutschland — ein Auslaufmodell.
Und nun der Mindestlohn. Noch im November wollen die FDP und auch die CDU auf Parteitagen für Branchen, die so etwas noch nicht haben, verbindliche Lohnuntergrenzen vorschreiben. Ausgehandelt von den Tarifparteien, in der Konsequenz jedoch gesetzlich verankerte Mindestlöhne, wie sie im Koalitionsvertrag noch ausdrücklich ausgeschlossen waren. Angela Merkel hat offenbar keine Probleme, einzugestehen, dass auch Politiker mit dem Lauf der Zeit klüger werden können, ja müssen.
Die politische Opposition und der Deutsche Gewerkschaftsbund quittieren bereits mit verhaltenem Jubel, dass die Koalition in der Sache auf ihre Linie eingeschwenkt ist. In der CDU und der FDP muss noch Überzeugungsarbeit geleistet werden, die CSU dürfte keine Schwierigkeiten machen, und am Ende wird es nur noch um den Namen gehen, den das Kind bekommt: politischer oder marktwirtschaftlich organisierter Mindestlohn.
Mindestlöhne gibt es bereits in diversen Branchen: etwa im Baugewerbe und in der Pflege. In Bereichen also, in denen im wahrsten Sinne des Wortes Knochenarbeit geleistet wird. Hier wie auch auf den Berufsfeldern, die noch keine entsprechenden Tarifverträge haben, ist es eine Frage der Würde, dass die Menschen, auf deren berufliches Können und Engagement unsere Gesellschaft angewiesen ist, auch von ihrer Hände Arbeit leben können. Und zwar deutlich besser, als wenn sie resignieren und sich mit staatlichen Transferleistungen zufriedengeben.
Für die Union bedeutet der Schwenk zum Mindestlohn eine Verschiebung der politischen Gewichte. Mit dem engagierten Arbeitnehmer-Flügelmann Laumann und der nicht minder streitbaren Arbeitsministerin von der Leyen erweitert die CDU ihre Bandbreite für den Bundestagswahlkampf 2013, der mit sozialen Inhalten geführt werden wird wie schon lange nicht mehr.