Meinung Nach einem Jahr Andrea Nahles - SPD immer noch am Abgrund

Meinung | Berlin · Vor einem Jahr stand die SPD nahe am Abgrund. Also sehnte sie sich nach einer glanzvollen Führungspersönlichkeit – und bekam Andrea Nahles. Seitdem sind die Genossen nicht vom Abgrund weggekommen.

Andrea Nahles (SPD)

Foto: dpa/Michael Kappeler

Schlimmer noch: Die Umfragen für die SPD sind heute noch dürftiger als damals. Ein vernichtender Zwischenbefund für die Vorsitzende.

Dabei gab es durchaus einen Moment, der das Blatt hätte wenden können. Nämlich den, als Angela Merkel ankündigte, das Feld als CDU- und Regierungschefin zu räumen. So hatte es sich die SPD immer gewünscht, um leichter wieder nach vorn zu kommen. Aber die Chance versandete. Bleibt der stärker erkennbare Linkskurs, auf den Nahles die SPD eingeschworen hat. Hartz IV überwinden, die Einschnitte bei den gesetzlichen Alterseinkünften vergessen machen, kurzum, den Geist der Agenda 2010 in die Flasche zwingen. Was der Trauma-Bewältigung der Genossen dient, ist eben noch längst kein Erfolgsrezept.

Als Reparaturbetrieb in eigener Sache aufzutreten, hat überhaupt wenig  Visionäres.  Dabei liegen die Themen quasi auf der Straße. Die Digitalisierung der Arbeitswelt ist eine riesige Herausforderung. Stattdessen verzettelt sich die SPD in populären Reflexen. Man denke nur an die geplante Grundrente ohne jegliche Bedürftigkeitsprüfung. Nach Lage der Dinge wird sie so nicht kommen.

Nun wachsen auch bei der CDU die Bäume nicht in den Himmel. Der Zauber des Anfangs von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer ist verflogen. Allerdings ist das Umfrage-Polster dort noch etwas erträglicher als bei der SPD. Gehen die Europawahlen schief und obendrein der Stimmungstest im Osten bei gleich drei Urnengängen nach der Sommerpause, könnte  Nahles ihre Zukunft als Vorsitzende hinter sich haben. Im Fußball jedenfalls wechselt eine derart gebeutelte Mannschaft dann meist den Trainer aus.