Öffnung der CDU stößt an ihre Grenzen

Merkel darf die Konservativen nicht zu sehr vernachlässigen.

Man stelle sich vor, die CDU Helmut Kohls hätte Themen rund um Homosexualität oder Frauenrechte als ihre zentralen Diskussionspunkte begriffen. Undenkbar. So gesehen, hat sich die Partei unter Angela Merkel extrem gewandelt. Unvorstellbares ist passiert, indem etwa Atomkraftwerke stillgelegt werden und die Wehrpflicht verschwand.

Worte wie Schwule und Homo-Ehe gehen selbst vielen konservativen Mitgliedern problemlos über die Lippen. Doch knapp vor Beginn ihres Parteitags scheint die CDU bei der steuerlichen Behandlung gleichgeschlechtlicher Paare, der Frauenquote oder auch bei höheren Renten für ältere Mütter an die Grenzen ihrer Öffnung zu stoßen.

Kanzlerin Merkel, für die der Parteitag ein wichtiger Meilenstein auf ihrem Weg zur Wiederwahl ist, hat den drohenden Konflikt instinktsicher erkannt. Sie will vorbeugen, indem sie den Delegierten überraschend klar empfiehlt, sich gegen eine Erweiterung des Ehegattensplittings auf Homosexuelle auszusprechen.

Sie verwehrt damit diesen Menschen die erheblichen finanziellen Vorteile, die Ehepaare vor allem dann genießen, wenn sie sehr unterschiedlich verdienen. Besonders hoch sind diese beim klassischen und in der Realität selten gewordenen Rollenbild: Einer geht arbeiten, eine(r) kümmert sich um den Haushalt.

Wobei es Merkel gar nicht um die Sache selbst gehen dürfte. Sie weiß auch, dass dazu ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aussteht — und dass dieses pro Homosexuelle ausfallen könnte.

Merkel will eher das Signal aussenden: Bei aller Öffnung sind wir weiterhin eine konservative Partei mit teilweise sehr traditionellen Ansichten. Das Signal geht nicht nur an den konservativen Flügel der CDU, sondern auch an die bayrische Schwester CSU.

Ob die Taktik aufgeht, oder das Steuer-Thema bereits beim Parteitag für Zwist sorgt, lässt sich schwer vorhersagen. Anders ist es mit der Frage, ob ältere Mütter bei der Rente ähnlich gut gestellt werden sollen wie Frauen, die nach 1992 Kinder zur Welt gebracht haben.

Diese Forderung werden bestimmt alle gutfinden, aber sie wird am Geld scheitern. Zumal die Politik in diesen Mehrausgaben wenig Sinn sieht. Denn das Ziel, die Geburtenrate in Deutschland zu steigern, erreicht sie — wenn überhaupt — nur mit der Förderung junger Familien.