Meinung Politik muss Rahmen für saubere Mobilität schaffen

Meinung · Der Verband der deutschen Automobilindustrie reagierte am Donnerstag erstaunlich gelassen auf das Urteil aus Luxemburg. Alles kein großes Problem, nur ein Fehler im Verfahren, die Aufweichung der Grenzwerte für Stickoxide an sich sei nicht als rechtswidrig eingestuft worden – so hieß es aus der Lobbyzentrale in Berlin.

Kommentar Rolf Eckers

Foto: Sergej Lepke

Hoffentlich hat der Verband recht. Denn wenn auch die Euro-6-Diesel von jetzt auf gleich als zu schmutzig gelten, sind praktisch alle etwa 15 Millionen Diesel-Pkw in Deutschland von Fahrverboten bedroht. Nicht einmal Fahrzeuge, die bereits die Abgasnorm Euro-6d-temp erfüllen (sie gilt für Neuwagen erst ab September 2019), schaffen im Normalbetrieb auf der Straße den Grenzwert von 80 Milligramm Stickoxid pro Kilometer. Wenn Gerichte diese Norm jetzt ohne Wenn und Aber fordern, richten sie einen ökonomischen Schaden an, der in einem krassen Missverhältnis zum Nutzen steht, den das Ganze für eine Verbesserung der Luft bringt.

Die Probleme sind aber auch dann nicht aus der Welt, wenn das Urteil des EU-Gerichtes keinen Bestand hat. Nach wie vor drohen in vielen deutschen Städten Fahrverbote. Der seit 2010 gültige Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter wird nicht eingehalten, weil die Diesel-Pkw die gesetzlichen Vorgaben um ein Vielfaches überschreiten. Und obwohl es gefühlt schon ein Dutzend Diesel-Gipfel gegeben hat, wartet Deutschland auf eine Lösung. Ganz sicher hilft es nicht weiter, wenn die Industrie mit Hilfe von „Umweltprämien“ ältere Diesel von der Straße holt und den zahlungsfähigen Kunden Autos andreht, die ebenfalls nicht sauber sind.

Wir brauchen eine Regierung, die in mehreren Schritten einen klaren Rahmen für saubere Mobilität schafft. Erstens: Hardware-Nachrüstungen für alle älteren Diesel-Pkw, bei denen es wirtschaftlich sinnvoll ist. Bezahlt von der Industrie und aus Steuermitteln, weil die Industrie nicht voll in Haftung genommen werden kann. Die Autobauer haben in den meisten Fällen nur Gesetzeslücken genutzt, die die Politik ihnen gelassen hat. Zweitens: Verlässliche EU-Vorgaben für alle Schadstoffe und CO2 bis 2030, die ehrgeiziger als bisher sind, aber die Ingenieure nicht vor unlösbare Aufgaben stellen.

Dass die Hersteller den Ernst der Lage immer noch nicht erkannt haben, zeigt ihr Verhalten bei den Software-Updates für ältere Dieselautos. Diese Maßnahme bringt zwar nicht viel, war von der Industrie aber verbindlich zugesagt worden. Es ist eine Dreistigkeit sondergleichen, diese Updates nicht so rasch wie versprochen umzusetzen. Wie viel Reputation wollen die Konzerne noch verspielen? Vorsprung durch Technik haben nur noch jene, die saubere und bald selbstfahrende Autos bauen können. Zweifel, dass die aus Deutschland kommen, gibt es.