Schaden für das höchste Staatsamt

Horst Köhlers Flucht wirkt verantwortungslos.

Wenn Politiker Konsequenzen ziehen, bis hin zum Rücktritt, dann ist es meist angebracht, ihnen wegen ihrer Gradlinigkeit Respekt zu zollen. Was leider bei Horst Köhler schwer fällt. Denn er verlässt überstürzt das Schloss Bellevue. So etwas gab es noch nie, ist auch mit dem vorzeitigen Ausscheiden Heinrich Lübkes 1969 nicht vergleichbar. Köhler muss sich fragen lassen, ob er nicht reichlich verantwortungslos handelt. Denn mit seiner Flucht entwertet er, der stets Achtung vor dem Staatsoberhaupt gefordert hat, nämlich exakt dieses höchste Amt unseres Staates.

Sein Hinwerfen wirkt wie eine kurzfristige, hilflose und beleidigte Reaktion, weil er nach missverständlichen Äußerungen zur Rolle der Bundeswehr massiv in die Kritik geriet. Doch muss das nicht jemand, der Deutschland repräsentieren will, aushalten? Ein Berufspolitiker hätte das weggesteckt. Doch Horst Köhler hat als ehemaliger Beamter und Chef des Internationalen Währungsfonds wenig Erfahrung mit solchen Attacken. Vielleicht ist das die Kehrseite der guten Idee, einen Nicht-Politiker zum Bundespräsidenten zu machen.

Weitere Möglichkeit: Horst Köhler hat nur auf einen Vorwand zum Abtreten gewartet. Denn er muss gespürt haben, dass er nicht mehr viel bewegen kann. Da die offizielle Macht eines Präsidenten beschränkt ist, muss er es schaffen, dass die Bevölkerung ihm zuhört und seine oft mahnenden Worte ernst nimmt. Köhlers Vorgänger haben da teils hohe Maßstäbe gesetzt. Doch von Köhler gingen keine Impulse mehr aus, seine zweite und laut Verfassung letzte Amtszeit drohte glücklos dahin zu dümpeln. Wollte er dem rasch ein Ende setzen? Auch das wäre verantwortungslos.

Doch die Alleinschuld trägt Köhler nicht: Alle kampfgewohnten Politiker sollten überlegen, ob sie künftige Präsidenten ähnlich ruppig wie ihn angehen. Denn einen Bundespräsidenten, wie es Jürgen Trittin getan hat, als "rhetorische Deckskanone" zu bezeichnen und Zweifel an dessen Grundgesetztreue zu äußern, muss wirklich nicht sein.

Jetzt ist die Politik gefragt, um die Situation zu bereinigen. Das wird schwierig. Angela Merkel wusste nur zu gut, warum sie Köhler noch in letzter Minute umstimmen wollte. Besser wäre gewesen, sie hätte sich vorher schützend vor ihn gestellt.