Neuer Missbrauchsfall Kinderporno-Ermittlungen um Therapeut: Reul sieht Polizei-Fehler
Düsseldorf · Ein Heilpraktiker aus Bad Oeynhausen sitzt in U-Haft, weil er in seiner Praxis Kinderpornos von jungen Patienten angefertigt haben soll. Laut Innenminister Reul hat es einen „klaren Fehler“ bei der Polizei gegeben.
Nach dem massenhaften Missbrauch in Lügde gibt es in NRW einen weiteren Fall, bei dem die Behörden mit großer Verzögerung eingriffen: Seit vergangener Woche sitzt ein Heilpraktiker (60) aus Bad Oeynhausen in U-Haft, weil er in seiner Praxis Kinderpornos von jungen Patienten angefertigt haben soll. Hinweise darauf gab es schon Ende 2017. Im Fall Lügde stieg derweil die Opfer- und Verdächtigenzahl erneut, wie Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag im Landtag berichtete: Acht Beschuldigte und 40 bestätigte Opfer gebe es aktuell.
Laut der Dortmunder Polizei, die im Fall Bad Oeynhausen die Ermittlungen führt, soll der 60-Jährige pornografisches Material von zwei Kindern angefertigt haben. Die Behörde hat mobile Anlaufstellen eingerichtet, bei denen sich weitere Zeugen und Betroffene melden können. Reul sprach im Innenausschuss des Landtages bereits von vier Opfern. Den Hinweis gab demnach ein IT-Techniker im November 2017 nach einer Fernwartung des Computers des Verdächtigen. Daraufhin sei im Mai 2018 erstmals versucht worden, die Wohnung des Heilpraktikers und Physiotherapeuten zu durchsuchen - allerdings wurde er nicht angetroffen. Dies wiederholte sich mehrere Male, bevor die Ermittler am 8. März 2019 Zutritt zur Wohnung erhielten und Beweise sicherstellen konnten.
Reul erklärte die Verzögerung damit, dass die Polizei von einem reinen Konsum von Kinderpornos ausging, nicht aber von einem Missbrauch durch den Verdächtigen. Dennoch stellte der Minister klar: „Das war ein klarer Fehler in meinen Augen.“ Zumal der Beschuldigte durch seinen Beruf „freien Zugang zu Kindern und Jugendlichen“ hatte. Inzwischen seien in Dortmund 80 Ermittler, darunter Spezialisten für Opferschutz, mit dem Fall beschäftigt - dies sei auch eine Lehre aus den Versäumnissen im Fall der Polizeibehörde Lippe. Man gehe zunächst von einem Einzeltäter aus.
Reul äußerte die Einschätzung, dass die Aufarbeitung des Missbrauchskandals auf dem Campingplatz in Lügde „innerhalb unserer Polizei zu einer ganz neuen Sensibilität“ geführt habe und so nun weitere schreckliche Fälle ans Licht kämen. Im Fall Lügde hätten die Ermittlungen des Polizeipräsidiums Bielefeld inzwischen acht Beschuldigte und 40 bestätigte Opfer zu Tage gefördert. Mehr als 700 Ermittlungsspuren gebe es aktuell. „Je länger sie daran arbeiten, umso mehr Spuren gibt es und komplizierter wird es“, erklärte der Innenminister.
Probleme habe man bei der Betreuung der vielen Betroffenen. Reul: „Es gibt das Problem, dass sich nicht alle Opfer helfen lassen wollen.“ Bis Mitte März hätten nur wenige etwa einen Antrag auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz gestellt. Man habe daher noch einmal Kontakt mit den Familien aufgenommen und die Anträge übermittelt.