Ahnenforschung im Rathauskeller
Auch Frühlingsstimmung hält die Burscheider nicht vom Stöbern in den alten Unterlagen ab.
Burscheid. Die meisten Veranstalter freuen sich über strahlendes Wetter, beim „Tag der Archive“ war das am Sonntag nicht so eindeutig. Wer geht schon in Frühlingsstimmung in den Keller? Doch bereits der Andrang zum Auftakt macht deutlich: Über mangelndes Interesse können sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Stadtarchivs und Leiter Franz Kratochvil nicht beschweren.
Schon im Foyer wartet das erste Schmuckstück, sorgsam unter einer Glasvitrine aufgeschlagen: die älteste Handschrift des Burscheider Archivs, von Archivarin Iris Kausemann in einem vergilbten Karton des Bestands entdeckt und auf das Jahr 1666 datiert. „Wie das Buch in das Archiv gelangt ist, wissen wir leider nicht“, bedauert sie. Und versichert sogleich, normalerweise werde das gute Stück in einem säurefreien Karton vor unliebsamen Lichteinflüssen geschützt.
Für jede Frage gibt es bei diesem alle zwei Jahre ausgerichteten Stöbertag andere Experten. Anne Marie Frese informiert über historische Ratsprotokolle, Grete Klippert hilft beim Entziffern alter Schriften, Barbara Sarx klärt über historische Fotos auf, Hans Joachim Musiol über alte Währungen, Dietmar Reininghaus über Vereinschroniken. Und mit Archivleiter Kratochvil kann man in den seit 1864 fast lückenlos archivierten Ausgaben des Bergischen Volksboten blättern.
Begehrte Anlaufstation ist die frühere Standesbeamtin Christel Ertel. Sie hockt zwischen den sorgsam markierten Personenstandsbüchern seit 1810. Die weiß gekennzeichneten Geburtsbände bleiben 110 Jahre beim Standesamt, die gelb markierten Todesfälle 30 Jahre und die roten Eheschließungsbände 80 Jahre, ehe sie ins Stadtarchiv wandern. Allesamt sind sie Quellen für Ahnenforschungen, die an diesem Tag hoch im Kurs liegen.
Zum Beispiel bei Ratsmitglied Gert Weber. Er erinnert sich, dass sein Großvater, Postbeamter von Beruf, nach Kriegsende immer wieder um Hilfe bei der Wohnungssuche gebeten wurde. Nur der Grund ist Weber nicht bekannt. War der Großvater vielleicht Mitglied eines Wohnungsausschusses? Die Recherchebitte wird aufgenommen, die Klärung wird noch auf sich warten lassen.
Im Eingangsbereich lässt Sabine Wurmbach derweil die Mächtigen der Burscheider Kommunalpolitik vorüberziehen — bis 1919 ausschließlich Männer. Erst dann bestand für Frauen das aktive und passive Wahlrecht. Alma Breidenbach, geborene Steffens, aus Großbruch nahm es dann auch gleich komplett in Anspruch: Für die USPD zog sie im selben Jahr als erste Frau in den Burscheider Stadtrat ein.