Auf der Spur der vertikalen Zeit
Die Kölner Künstlerin Katja Davar zeigt in der Artothek bis zum 7. April ihre Ausstellung „Field Trip“.
Köln. Die Kölner Künstlerin Katja Davar zeichnet Gemälde, malt Zeichnungen und erforscht ihre zeitliche Komponente in Videoarbeiten. Für die Ausstellung „Field Trip“ in der Artothek — Raum für junge Kunst hat sie neue Arbeiten zu der Idee einer „vertikalen Zeit“ oder „deep time“ geschaffen. Vertikale Zeit manifestiert sich in geologischen Schichtungen, die dann erkennbar werden, wenn man in die Tiefe des Bodens gräbt oder durch Schallmessungen ihre Zusammensetzung erforscht. Diese Erkenntnisse werden in schematischen, wissenschaftlich ausgerichteten Zeichnungen erfasst, kartographiert und ermöglichen so eine Vorstellung von dem, was früher auf der Erde war oder was sich aktuell unter uns befindet, wie sich tektonische Bewegungen ausgewirkt haben und weiterentwickeln könnten.
Charles Lyell war Vordenker einer Theorie, die von der Annahme ausging, dass die Erde über viele Millionen Jahre geformt wurde, und es ist hauptsächlich dieser Theorie zu verdanken, dass geologische Darstellungen von Erdformationen biblische Schöpfungsvorstellungen ersetzt haben.) „Field Trip“ (1. März bis 7. April) zeigt keine kurzzeitigen Veränderungen, sondern fasst Millionen Jahre Erdgeschichte als Bild zusammen.
Gefunden hat Davar ihre Vorlagen eher durch Zufall: „An meinem Arbeitsort Mainz wurden von der Universitätsbibliothek alte Bücher aussortiert. Darunter war auch geologische Fachliteratur aus den 50er mit sehr aufwendigen Zeichnungen, die wissenschaftliche Erkenntnisse visualisiert haben“, sagt die Künstlerin. Diese scannt sie ein oder zeichnet sie ab und bringt sie per Siebdruck auf den grün-bräunlichen Hintergrund. In Collagen setzt sie bei „Cloud Lattice“ und „Geo Riddles“ geologische Zeichnungen von Gletschern oder Höhlen in Beziehung zueinander. Neu ist die Verwendung von Farben bei diesen Arbeiten.
Dass wie wir die Erde erleben und wie wir sie nutzen, mit dem zu tun hat, was in der Erde stattfindet bzw. vor Jahrmillionen stattgefunden hat, dass alles miteinander verbunden ist, sich jeweils in die Existenz des anderen einschreibt, sich kaum merklich aber dauerhaft manifestiert, ist die Vorstellung, die Katja Davar interessiert. Scheinbar sachliche und wertneutrale Konstrukte oder Schemata verbindet sie in verschiedenen Medien (Gemälde, Video, Licht- und Soundinstallation) miteinander, so dass sich die technokratischen Verfahren zur Erklärung des Daseins auch mit ihrem mystischen, emotional aufgeladenen Gehalt offenbaren.
Die Kernidee der Ausstellung „Field Trip“ kreist sich um die Gestaltung einer erdachten Geografie. Katja Davar schafft ein Hybrid aus künstlichen und künstlerischen Landschaften, indem sie geologische Zeichnungen ausbeutet (verwendet). Sie erforscht dabei das Verhältnis zwischen natürlicher und gebauter Welt. Es entsteht die gedankliche Verbindung zu einem Prozess der Gewinnung (Extraktion) bzw. des Abbaus — üblicher Weise verbunden mit der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen, obwohl heutzutage die Vorstellung der Extraction auch auf den Bereich der Datenanalyse und auf digitale Währungen ausgeweitet wird.
Dies spiegelt sich thematisch in der spielerischen, gut zweiminütigen Animation „Daughters of Time“, in der kantige Pyrit (Schwefelkies) und runde, weiche Teppichstrukturen, die an Landschaften erinnern, aufeinandertreffen. In den großformatigen Werken „Sweet Dark Knotted Garden“ und „Ye Olde Smoke Signal“ kombiniert Davar abfotografierte und am PC bearbeitete Muster von Perserteppichen mit Zeichnungen und bringt per Siebdruck unterschiedliche Raster auf. „Solche Teppiche sind im vorderen Orient auch Lebensräume und ein Stück Territorium“, sagt Davar.
Katja Davar, geboren 1968 in London, studierte an der Central Saint Martins School of Art, London, und an der Kunstakademie Düsseldorf. An der Kunsthochschule für Medien Köln absolvierte sie anschließend ein Postgraduiertenstudium im Bereich Audiovisuelle Medien. Seit 2012 ist Katja Davar Professorin für Experimentelles Zeichnen an der Hochschule Mainz. Sie lebt in Köln.
Service: Arthothek — Raum für junge Kunst, Am Hof 50, Öffnungszeiten: Di-Fr 13-19, Sa 13-16 Uhr, Eintritt frei.
museenkoeln.de/artothek