Friedhöfe: Ein Stück Kulturgeschichte
Den ersten Burscheider Friedhof gab es im 17. Jahrhundert. Er wurde rund um die evangelische Kirche angelegt.
Burscheid. Allerheiligen — Totensonntag — im November gedenkt man der verstorbenen Angehörigen, schmückt die Gräber, zündet Lichter an: der Friedhof rückt in den Mittelpunkt. Im Mittelalter nannte man die rund um die Kirche gelegene Begräbnisstätte eines Ortes „Gottesacker“. Die Bezeichnung, geprägt von der religiösen Bindung der Menschen, verlor sich im Laufe der Jahrhunderte. Der Bezug zur Kirche aber blieb im neuen Namen erhalten: Kirchhof. Später wurde daraus der Friedhof, abgeleitet von dem eingefriedeten Bereich rund um die Kirche.
Der erste Burscheider Friedhof war rund um die evangelische Kirche angelegt, er war mit einer Mauer mit zwei überdachten Zugängen umschlossen und bezog das 1659/60 erbaute zweite Burscheider Schulhaus mit ein. 1766 wurde im Zuge der Planungen für einen Neu- und Umbau der Kirche durch einen Geometer das Gräberfeld vermessen, es gab 770 Grabstellen. Dabei handelte es sich um Erbgräber, um Gerechtigkeiten, die seit 1438 an den Höfen und Gütern klebten. Viele von ihnen mussten nun weichen. Die abgeräumten Grabsteine wurden an die Familien verteilt und vielfach mit der Schauseite nach unten als „Dürpel“ (einzelne Stufe vor der Haustür) eingebaut.
Bestattungen innerhalb der Kirche waren nur für Adelige vorgesehen, in Burscheid waren es die Familien von Driesch, von Vohren und Artzen von Haus Grünscheid. Beim Umbau des Kirchenschiffs sind die Gräber und Grabsteine verloren gegangen. Das Recht, im Kirchenschiff begraben zu werden, stand auch den Pfarrern zu. Erhalten geblieben ist nur der mit dem Familienwappen geschmückte Grabstein des Pfarrers Johannes Thamerus (1636-1690) in der evangelischen Kirche (Foto, rechts).
1770 wurde der Kirchhof für Beerdigungen geschlossen, 1771 bis auf Straßenhöhe abgetragen, um Raum für einen Marktplatz zu gewinnen. Nach einer sogenannten Municipalverordnung des Großherzogtums Berg von 1807 waren die Friedhöfe Eigentum der Gemeinden und der Polizeiaufsicht unterworfen. Die Gemeinden mussten die Plätze für die Friedhöfe kaufen und für die Einfassung sorgen. Die Kirchen waren für den Unterhalt der Friedhöfe verantwortlich und bezogen das Einkommen von den Beerdigungen. Ein Kirchhof, der nicht mehr gebraucht wurde, blieb fünf Jahre liegen.
Pastor Johannes Löh stellte der Bürgerschaft ein Pfarrgrundstück beim Wiedenhoff, nordöstlich des Pfarrhauses an der späteren Pastor-Löh-Straße für einen neuen Friedhof zur Verfügung und wurde auch selbst 1841 dort begraben.
1945 riss ein Treffer einen großen Krater an der Stelle des heutigen Gemeindehauses: „mehr Knochen als Erde“ sind damals zutage gekommen. Anfang der 1960er Jahre wurde die andere Seite der Kirchumgebung freigelegt, auch die Linden oberhalb der Stufen, die zur Kirche führten, abgetragen. Drei Jungen aus der Nachbarschaft kamen mit einer Schubkarre voller Schädel nach Hause. Auf Drängen der entsetzten Eltern wurden die Schädel wieder von der Kirchengemeinde übernommen, erneut beigesetzt und geweiht.
Der Friedhof war mit einer Hainbuchenhecke und einem Tor eingefriedet und nicht in „Leichenfelder“ eingeteilt. Er war in der Regel verschlossen, den Schlüssel hatte der Totengräber. Vor der Beerdigung musste der Totengräber die Bahre an das Sterbehaus bringen, den Pfarrer abholen und schwarz gekleidet neben dem Pfarrer dem Leichenzug vorangehen, wenn der Weg nach dem Kirchhofe zugeschneit sein sollte, denselben gehörig anbahnen.
1849 wurde der zweite Friedhof angelegt
1847 kaufte die Stadt zwischen der heutigen Bürgermeister-Schmidt-Straße und der heutigen Friedrich-Goetze-Straße eine Parzelle zur Anlegung eines neuen Friedhofes. Mit den Beerdigungen wurde 1849 begonnen. An den Außenseiten waren Kaufgräber angelegt. Einer erhalten gebliebenen Ankaufbescheinigung ist zu entnehmen, dass ein Kaufgrab umgerechnet 600 Euro kostete. Innerhalb der Friedhofsfläche lagen Reihengräber. 1864 erwarb die Stadt noch eine weitere Parzelle an der Friedrich-Goetze-Straße hinzu.
Bis 1933 wurde der Friedhof belegt. Die Nationalsozialisten nutzten den „Alten Friedhof“ — wie er genannt wurde, seit 1876 ein neuer Friedhof an der Altenbergerstraße zur Verfügung stand — für Kriegerehrungen und stellten dort ein mit großem Pomp eingeweihtes Denkmal von Ernst Kunst auf, das heute spurlos verschwunden ist. Die dort noch bestehenden Gräber wurden eingeebnet oder in den Friedhof an der Altenberger Straße überführt.
Für die Kinder war der Alte Friedhof ein einerseits unheimlicher, andererseits ein abenteuerlicher Ort. Von „Geistererscheinungen hinter einer dunklen Hecke“ berichtete Wilhelm Urbahn 1956 im Bergischen Volksboten: „Mal hatte man ein kleines Tönnchen in eine Fratze verwandelt und mit einem weißen Laken dämonenhaft gestaltet. eine brennende Kerze sorgte für den erhöhten Schrecken. An einer Leine zogen Burscheider Bengels diesen Geist an einer Tanne auf und ab.“ Den Kindern sollte anschließend die Konfirmation verweigert werden, doch die Eltern protestierten mit Erfolg.
1967 wurde der Alte Friedhof umgestaltet, der Baumbestand aber erhalten. Bei den Arbeiten kamen auch einige alte Grabsteine ans Licht wie die der Eheleute Fleck. Johann Peter Fleck (1799 bis 1890) war Eigentümer der Gaststätte „Deutsches Haus“ und 1861 Mitbegründer eines Turnvereins, der allerdings nur wenige Jahre bestanden hat. Die Grabsteine bestanden aus zwei auf Sandstein aufgelegten Marmorplatten, Namen und Daten waren noch gut lesbar, obwohl die Ehefrau Fleck bereits 1854 mit 40 Jahren verstorben war.
Der dritte Burscheider Friedhof ist der heutige. Er wurde dreimal erweitert. 2000 fanden die ersten Beerdigungen auf den neu erschlossenen Löhfeldern statt.