Rechtsextremismus: Kameradschaft war "eine Luftnummer"

Nach Ansicht des Staatsschutzes gibt es derzeit keine aktive rechte Szene in Burscheid. Die "Kameradschaft Nationaler Sozialisten" sei keine wirkliche rechtsradikale Kameradschaft .

Burscheid. Bei der "Kameradschaft Nationaler Sozialisten", die im vergangenen Oktober in Burscheid für Schlagzeilen gesorgt hat, hat es sich nach Ansicht des Kölner Staatsschutzes nicht um eine wirkliche rechtsradikale Kameradschaft gehandelt. Diese Einschätzung äußerte Kriminalhauptkommissar Peter Nillius, Leiter der Präventionsabteilung des Staatsschutzes, am Mittwoch am Rande einer Informationsveranstaltung im Burscheider Rathaus.
"Es gibt in Burscheid keine aktive Kameradschaftsszene", sagte Nillius. Zwar gebe es Rechte, die hier wohnen, aber nach jetzigem Erkenntnisstand keine Szene, die zu Straftaten bereit sei "und die Sache voranbringt". Das habe sich auch durch die Gespräche bestätigt, die der Staatsschutz nach Bekanntwerden des mit rechtsradikalen Inhalten gefüllten Internetauftritts mit den betroffenen Jugendlichen geführt habe. Sie hätten zwar den in der rechten Szene üblichen Begriff der Kameradschaft für sich verwendet, "aber das war eine Luftnummer ohne Hand und Fuß". Allein eine Person werde in nächster Zeit noch genauer beobachtet.

Betroffene und ihre Eltern zu Hause aufzusuchen, sie über die Folgen aufzuklären, wenn es zu Straftaten kommt, zählt zu den gängigen Methoden des Staatsschutzes und zu den erfolgreichen: "Von 100 Jugendlichen fallen 95 nach den Gesprächen nicht mehr auf", sagt Nillius.
Die Diskussion um Rechtsextremismus in der Stadt hat Reaktionen hervorgerufen. Eine davon: der Vortrag zum Thema "Politisch motivierte Kriminalität von Rechts", zu dem Beigeordneter Stefan Caplan rund 40 Vertreter von Parteien, Jugendhilfeeinrichtungen und Vereinen eingeladen hatte. Nillius und seine Kollegin, die Kriminaloberkommissarin Andrea Schüpf, gaben in drei Stunden einen Überblick über die in der Region aktiven rechten Parteien und Vereinigungen, ihre Kleidung, Symbole und Musik.

Die Szene ist in Bewegung. Erst am Montag wurde nach Nillius` Angaben in Leverkusen die Vereinigung "Pro Nordrhein-Westfalen" gegründet. Eine der treibenden Kräfte dabei: der in Burscheid lebende Markus Beisicht, Vorsitzender der einst aus den Republikanern hervorgegangenen Vereinigung "Pro Köln", die auch über Sitze im Kölner Rat verfügt, und Anwalt des rechten Aktivisten Axel Reitz ("Kameradschaft Köln"), der noch bis 2008 eine Haftstrafe wegen Volksverhetzung verbüßt. Eine weitere Neugründung in der Region ist die "Kameradschaft Oberbergische Wacht".
Als es in dem Vortrag dann um verbotene Symbole und CDs ging, sorgte die Tatsache, dass ihr Privatbesitz nicht strafbar ist, immer wieder für Kopfschütteln. Verfolgt werden nur Gebrauch und Vertrieb in der Öffentlichkeit. Allerdings warnte Nillius auch davor, "uns selbst zu begrenzen": Das Verbot beispielsweise bestimmter symbolischer Zahlenkombinationen (88 für den achten Buchstaben des Alphabets; HH = Heil Hitler) sei noch keine Bekämpfung der Rechten. Etwa zehn bis 20 Prozent der Kameradschaftsszene setzten, so die Staatsschützer, inzwischen auch darauf, nicht erkennbar zu sein. Nach wie vor geben aber Kleidung, Aussehen und Musik viele Hinweise. Allerdings reiche ein Merkmal allein nicht aus; bei mehreren sei aber Aufmerksamkeit geboten. "Musik ist dabei Einstiegsdroge Nummer eins", sagte Andrea Schüpf. Daneben existieren etwa 1000 rechte Internetseiten "und in 99 Prozent der Fälle kommen wir an die nicht ran, weil der Server im Ausland steht". Die weitere Behandlung des Themas Rechtsextremismus in Burscheid liegt in der Hand des Arbeitskreises Kinderund Jugendhilfe. Auch das Jugendparlament hat Aktivitäten angekündigt. Beim Innenministerium kann man die hilfreiche Broschüre "Musik Tel. Mode Markenzeichen; Rechtsextremismus bei Jugendlichen" bestellen.
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