Neue Arbeitsmodelle in Düsseldorf Inklusion am Waffelstand
Düsseldorf · Bei Downtown Waffles arbeiten in Teams Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen. Die Testwochen verliefen bereits vielversprechend. Weitere Mitarbeiter werden gesucht.
Der 21-Jährige Jasper hat vor Kurzem eine neue Geschmacksrichtung bei Waffeln entdeckt und sie direkt zu seinem Lieblingsaroma erkoren. „Ich habe noch nie zuvor etwas von herzhaften Waffeln gehört, geschweige denn eine gegessen“, erläutert Jasper. „Die herzhafte Waffel mit Tomatensoße und Käse-Topping habe ich erst bei Downtown Waffles kennengelernt.“
Das war während eines Arbeitspraktikums, das er im Downtown Waffles-Stand am Stadtstrand unterhalb der Theodor-Heuss-Brücke gemacht hat. Inzwischen ist Jasper Mitglied im Team der ganz besonderen Waffelbäcker. Downtown Waffles ist nämlich kein Unternehmen mit absoluter Gewinnmaximierungsabsicht, sondern es ermöglicht Menschen mit geistiger Behinderung, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und so der Gesellschaft ihre Potenziale aufzuzeigen.
Jasper hatte als Kind einen Verkehrsunfall, lag sechs Monate im Koma und musste anschließend alles neu lernen. Eine Spastik blieb zurück, die Jasper fortan das Leben schwer macht. Bisher arbeitet er bei der AWO, kann sich nach dem Praktikum aber vorstellen, das Vincent Wirxel und Tom Sion, die beiden Erfinder und Gründer von Downtown Waffles, demnächst seine neuen Hauptarbeitgeber werden. „Ich mag es mit den Leuten, die Waffeln bestellen, zu sprechen, in Kontakt mit ihnen zu treten“, verrät Jasper. Und seinen Hang zur Naschkatze kann er im Waffelstand auch ausleben. „Meine Eltern sagen, ich könne mich doch nicht nur von Waffeln ernähren“, meint Jasper augenzwinkernd.
Das Projekt Downtown Waffles ist aus Wirxels Bachelor-Arbeit an der Hochschule Düsseldorf entstanden. Wirxels Schwester Laura hat Trisomie 21 und ihr Bruder hat aus nächster Nähe gesehen, wie schwierig, ja nahezu unmöglich es ist, auf dem ersten Arbeitsmarkt eine feste Stelle zu ergattern. Laura durchlief viele Stationen mit unbezahlten Praktika und Weiterbildungsmaßnahmen, jedoch habe sie nie eine faire Chance bekommen.
Das haben Wirxel und Sion geändert. Sie nahmen mit Düsseldorfer Förderschulen, der Werkstatt für angepasste Arbeit und der AWO Kontakt auf, hatten bereits einige Probearbeiten angeboten und abgenommen und eröffneten jetzt offiziell ihre erste Waffelbude am Stadtrand. „Unsere ersten Teams sind startklar, und die Testwochenenden waren für uns ein großer Erfolg. Nun kann die Saison richtig losgehen“, freut sich Wirxel.
Im Idealfall bestehen die Dreier-Teams von Downtown Waffles aus einer Teamleitung und zwei behinderten Menschen. Bei der Eröffnung war Jasper allerdings der Einzige mit erhöhtem Betreuungsbedarf in der Bude. „Wir haben erst ein festes Team“, verrät Wirxel. „Aber wir hatten sechs Förderschüler zum Probearbeiten bei uns. Und so wie es aussieht, werden vier, wenn nicht gar fünf ab April eingesetzt werden können.“ Das reicht allerdings noch nicht, um tagtäglich den Waffelstand zu öffnen. Das aber ist das Ziel. Deshalb sind Wirxel und Sion für jeden Interessenten, der sich unter bewerbung@downtown-waffles.de meldet, dankbar.
Wilfried Korfmacher, Wirxels Examensprofessor, sieht großes Potenzial in dem Unternehmen, das zeigen möchte, dass Inklusion und Wirtschaftlichkeit Hand in Hand gehen können. „Ich denke, die Waffel ist nur das Herzstück. Dass gemischte Gruppen in Teams zusammenarbeiten, ist nicht nur im Nahrungs- und Genussmittelbereich möglich“, meint Korfmachern. Der Professor freut sich, dass Wirxel und Sion Menschen, die am Rande stehen, in die Gesellschaft integrieren, dahin bringen, wo das Leben pulsiert und so deren Sichtbarkeit erhöht.
Mit der Location am Stadtrand gelang den Waffelbäckern ein Glücksgriff. Nicht nur, dass die Waffelkäufer auch die bereits bestehende Infrastruktur mit nutzen können, der Stadtstrand sorgt auch dafür, dass immer viel los ist. „Als wir Mitte März für ein Testwochenende geöffnet hatten, standen mehrere Stunden Schlangen vor unserem Stand“, sagt Tom Sion. Mit im Verkaufsteam war da auch Jasper. Den haben der Ansturm und die Arbeit überhaupt nicht gestresst. „Das war überhaupt nicht anstrengend“, meint der Waffelbäcker. „Ich war doch die ganze Zeit am Strand.“