Literatur in Düsseldorf leicht zugänglich Kurzgeschichten auf Knopfdruck

Düsseldorf · Seit mehr als 17 Jahren befüllt das Zakk alte Zigarettenautomaten mit Literatur, die dort erworben werden kann. Nun erhalten die Geräte, die auch schon in anderen Städten stehen, zum Edelweißpiratenfestival eine Sonderbefüllung.

Mindestens einmal im Quartal müssen Caro Baum (l.) und Ellen Mülders die Literaturautomaten nachbestücken.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Die Vordertür des Automaten quietscht ein wenig, als sie geöffnet wird. Dahinter, im Inneren des mechanischen Apparats, fummeln Caro Baum und Ellen Mülders einige Münzen aus den Ritzen, die den Weg in den ordentlich gefüllten Sammelschacht nicht gefunden haben. Auch der Ausgabemechanismus des ehemaligen Zigarettenautomaten hat etwas Rost angesetzt. Dafür spuckt er heute lebensbereichernde Prosa anstelle lebensverkürzender Genussmittel aus. Denn das Gerät mit dem Namen Literaturautomat, das am Eingang des Zakk an der Fichtenstraße steht, ist ein kleines Erfolgsmodell. Eine Art kulturelles Upcycling, dessen Pendants von Düsseldorf aus inzwischen auch nach Regensburg, Monheim oder Köln gingen.

Vor 17 Jahren wurden die Literaturautomaten von Pamela Granderath und Christine Brinkmann im Zentrum für Aktion, Kultur und Kommunikation (Zakk) ins Leben gerufen. Damals noch als einzelnes Projekt unter dem Namen „Kultur statt Kippe“ gestartet, sind mittlerweile fünf davon in Düsseldorf und anderen Städten im Einsatz.

Heute kümmern sich Baum und Mülders, Programmplanerinnen beim Zakk, einmal pro Quartal um die Befüllung – mit Texten unterschiedlicher Gattung und Stile. „Von Prosa bis Lyrik ist alles dabei. Wir schauen, dass wir die Automaten mit einem guten Mix anbieten können“, sagt Mülders. Die Texte bekommen sie über Zusendungen, die Baum und Mülders anschließend kuratieren. Einzige Vorgabe: Maximal 3200 Zeichen, damit die winzigen Büchlein der Größe einer Zigarettenschachtel entsprechen.

Geschrieben werden die Texte von Hobbyautoren und Profis. „Wir sind immer wieder überrascht, was für unterschiedliche Zusendungen wir da bekommen“, sagt Mülders. Da jedoch manche Texte mehr nachgefragt wurden als andere, bieten die Automaten inzwischen nur noch Überraschungsboxen an. Das tat der Beliebtheit aber offenbar keinen Abbruch. Alle paar Monate müssen die Literaturautomaten spätestens wieder nachbefüllt werden.

Die Automaten auf dem Düsseldorfer Stadtgebiet, die neben dem Zakk auch beim Jungen Schauspiel an der Münsterstraße und am Zoo-Pavillon stehen, bieten derzeit zudem eine Sonderedition. So hat ein Kreis aus Autorinnen und Autoren, die regelmäßig bei den gut besuchten Poetry-Slams im Zakk auftreten, anlässlich des diesjährigen Edelweißpiratenfestivals auf Bitten der Programmplanerinnen besondere Werke erstellt. „Passend zum Festival, das an die jugendlichen Widerstandsgruppen während der NS-Zeit erinnern soll, sind es verschiedene Geschichten zum Thema Widerstand, etwa gegen den Rechtsruck in der heutigen Gesellschaft in Deutschland. Aber es geht auch um Widerstand in anderen Bereichen, zum Beispiel gegen den eigenen Körper“, sagt Baum. Für eine Zwei-Euro-Münze (der Automat nimmt nur passend an) können die kleinen Literaturhappen erworben werden.

Der Erlös trägt die Kosten sowohl für den Druck der Büchlein als auch für die Ersatzteile der Automaten. Die sind nämlich so antik, dass der Mechanismus angesichts des Alters auch mal streiken kann. Bis in die 1990er-Jahre erfüllten die Geräte noch ihren eigentlichen Zweck. Dann wurden sie ausgemustert, als der Altersnachweis beim Kauf von Zigaretten auch bei Automaten Pflicht wurde und diese technisch aufgerüstet werden mussten. Das Zakk kaufte sie schließlich gebraucht auf Flohmärkten und im Internet zusammen; etwa ein Dutzend steht noch im Lager, allerdings nicht funktionsfähig. Ein Ehrenamtler, der Spaß am Schrauben findet, kümmert sich beizeiten um deren Instandsetzung.

Denn gerne würden die beiden Verantwortlichen noch mehr Apparate im Düsseldorf und anderswo aufstellen. „Das Schöne an den Automaten ist ja, dass es so ein niedrigschwelliges Angebot ist“, sagt Mülders: „Man bleibt stehen und hat die Möglichkeit, Autorinnen und Autoren kennenzulernen, die man sonst vielleicht nicht auf dem Schirm hat.“

(ctri)