Gedenken an jüdisches Leben in Düsseldorf Stolpersteine sollen bald an Familie Paradies erinnern

Düsseldorf · Viktor Jörgens hat sich auf die Suche nach Spuren jüdischen Lebens in Wersten begeben. Dabei stieß er auf das Schicksal dreier Menschen, auf das bald Stolpersteine aufmerksam machen sollen.

Viktor Jörgens hat seine Recherche zu den jüdischen Holocaust-Opfern aus Wersten im Internet begonnen.

Foto: Simona Meier

Stolpersteine erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus. In Wersten gibt es davon bislang zwei. „Uns war aufgefallen, dass in unserem Stadtteil nicht ein Stolperstein für jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger existiert“, sagt Viktor Jörgens, der mit dem Ortsverein der SPD regelmäßig die beiden vorhandenen Steine putzt, die an Kommunisten erinnern. Jeden November wird dort des Jahrestags der Pogromnacht gedacht.

Um zu erfahren, ob es in Wersten auch jüdische Opfer gab, nahm Jörgens Kontakt mit der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf auf.Sie begleitet das Projekt Stolpersteine, von denen es bislang in der Stadt 382 gibt, wissenschaftlich und organisatorisch. „Es ist gut, wenn sich Menschen engagieren möchten und sich mit den Lebensgeschichten der Menschen für die diese Stolpersteine stehen, auseinandersetzen“, sagt Astrid Hirsch-von Borries, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Mahn- und Gedenkstätte. „Wenn die künftigen Paten eine Vorrecherche geleistet haben, gleichen wir alles mit unseren Forschungsergebnissen ab“, sagt sie.

Wo die Recherchen ins Stocken geraten, unterstützt die Mahn- und Gedenkstätte mit ihrer Expertise. „Wir checken alle Daten und Namen für die Inschriften auf ihre Richtigkeit“, sagt sie. Insofern steht die Forschungseinrichtung für Genauigkeit und Verlässlichkeit.

Viktor Jürgens

Foto: privat

Mit Beginn seiner Recherchen wurde Viktor Jörgens überraschend schnell fündig: „Mittlerweile haben wir in Wersten Hinweise auf eine Familie gefunden, die nach Minsk deportiert wurde und dort umgekommen ist“, sagt er. „Sie hatte ihren Lebensmittelpunkt an der Millrather Straße in der Grünen Siedlung in Wersten.“ Vor mehr als 50 Jahren hat Jörgens selbst ganz in der Nähe gewohnt. „Das hat mich schon berührt.“ Jetzt plant Jörgens mit drei Stolpersteinen an die Familie Paradies zu erinnern, an Vater Aron Albert, dessen zweiter Ehefrau Johanna, geb. Windmüller und Tochter Sella Helga. 1939 war die Familie gezwungen worden, von Wersten aus in ein so genanntes Judenhaus umzuziehen.

Die ältere Tochter reiste
1939 nach Palästina aus

Im digitalen Gedenkbuch der Stadt zur Erinnerung an die jüdischen Opfer von 1933 bis 1945 ist dokumentiert, dass Familie Paradies am 8. Februar 1939 ins Haus der jüdischen Gemeinde, Grafenberger Allee 78, umzog. Vermutlich hatten sie nach den Novemberprogromen die Kündigung für ihre alte Wohnung erhalten. Am 24. März 1939 meldete sich die ältere Tochter Hanna ab und reiste nach Palästina aus. Sie stammte aus der ersten Ehe von Aron Albert Paradies, ihre Mutter Frieda (geborene Cohen) war der Entbindung im Wochenbett gestorben. Am 5. Dezember 1939 musste Johanna Paradies mit ihrem Mann und der jüngeren Tochter Sella Helga an die Aderstraße 8 umsiedeln. Am 10. November 1941 wurden sie in das Ghetto Minsk deportiert. „Sie haben nicht überlebt“, endet der Eintrag im digitalen Gedenkbuch.

Sella Helga Paradies hatte zunächst die jüdische Volksschule an der Kasernenstraße besucht. Die Mahn- und Gedenkstätte besitzt ein Klassenfoto von ihr; im Stadtmuseum sind außerdem Kinderzeichnungen von ihr erhalten.

Stolpersteine dienen der Erinnerung an solche Lebensgeschichten. Menschen wie Viktor Jörgens erhalten sie durch ihre Recherche aufrecht. Dieser fügt die Familiengeschichte weiter puzzleartig Stück für Stück zusammen und übernimmt auch die Patenschaft für die Stolpersteine. „Ich kann jetzt sogar die lebenden Nachfahren von Hanna Paradies kontaktieren“, sagt er zum aktuellen Stand seiner Nachforschungen.

Für die 2025 geplante Verlegung in Wersten will er noch weitere Informationen zusammentragen. Erste Kontakte fanden gerade per Mail und telefonisch mit einer Tochter von Hanna und der Enkelin in Israel statt. „Wir sind im Austausch dazu und es ist sehr bewegend für alle Beteiligten.“

(sime rö)