Porträt Wie Amtsrichter Dirk Kruse die Seite wechselt

Fast 40 Jahre lang war Dirk Kruse Amtsrichter. Nun ist er wieder da, allerdings auf der anderen Seite. Als Rechtsanwalt hat der Jurist eine zweite Karriere begonnen.  

Eine Robe trägt der ehemalige Amtsrichter Dirk Kruse immer noch. Aber jetzt sitzt er als Rechtsanwalt im Gerichtssaal.

Foto: Nicole Gehring

Fast 40 Jahre lang war Dirk Kruse Amtsrichter in Düsseldorf. Mit seinen Urteilen machte er oft Schlagzeilen. Zum Beispiel als er alle Strafverfahren gegen Haschisch-Konsumenten serienweise einstellte, bis der Bundesgerichtshof ein Grundsatzurteil fällte. Mit 67 Jahren musste er im vergangenen Jahr in Pension gehen, weil eine weitere Verlängerung der Dienstzeit nicht möglich war. Jetzt ist Dirk Kurse wieder da – und sitzt auf der anderen Seite. Als Rechtsanwalt. Eine Rolle, an die sich seine ehemaligen Kollegen erst gewöhnen müssen.

„Ich habe mich immer für die Juristerei interessiert und wollte damit nicht aufhören“, sagt Kurse, die nie einen Hehl daraus gemacht hatte, seinem Beruf mit Leidenschaft nachzugehen. Das habe aber auch private Gründe: „Meine Frau ist zehn Jahre jünger und auch Richterin. Sie hat noch ein paar Jahre vor sich. Ich wollte einfach die Birne am Laufen halten und meine Zeit nicht vor dem Fernseher verbringen.“ Formal war das sehr einfach. Kruse musste eine Zulassung als Rechtsanwalt beantragen, was knappe drei Monate gedauert hat. Und dann konnte der Start in die zweite Karriere beginnen.    

Die Seiten zu wechseln, sei das Ende eines langen Entscheidungsprozesses gewesen: „Ich habe das lange für unvorstellbar gehalten und mich gefragt, wie jemand das machen kann.“ Mit der Zeit habe sich seine Einstellung aber geändert. „Früher habe ich als Richter nach einem Ausgleich gesucht. Jetzt vertrete ich die Interessen einer Partei“, so der Jurist.  Für seine Mandanten könne das durchaus ein Vorteil sein: „Weil ich weiß, wie Richter denken.“

Zurzeit vertritt Kruse einen Mandanten, der wegen sexuellem Missbrauchs angeklagt ist. Kurios: Ihm gegenüber sitzt mit Wolfgang Steffen ebenfalls ein ehemaliger Richter. Auch der war ein juristisches Schwergericht und leitete als Vorsitzender Richter unter anderem das Verfahren um den Solinger Brandanschlag vor mehr als 25 Jahren, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen. Steffen vertritt als Anwalt nach seiner Pensionierung fast ausschließlich Opfer als Nebenkläger. Anders als Kruse, der sich zum Grundsatz gemacht hat: „Man muss die Dinge  nehmen, wie sie kommen.“

Seine ehemaligen Kollegen müssen sich an die neue Rolle erst noch gewöhnen: „Auf den Rechtsanwalt Kruse hat niemand gewartet.“ Zum einen, weil im Gerichtssaal absolutes „Duz-Verbot“ gilt. Zumindest so lange man nicht unter sich ist. Da werde Privates und Dienstliches streng getrennt. Manchmal bekommt Kruse auch einen Spruch gedrückt: „Heute nehmen Sie aber bitte  nicht auf dem Podest Platz, sondern unten.“ Aber auch daran muss sich der Rechtsanwalt gewöhnen.

Die alten Kollegen trifft er
beim Fußball in Leverkusen

In der Kantine darf Dirk Kurse aber  mit seinen ehemaligen Kollegen am Tisch sitzen: „Mit einigen bin ich ja auch privat befreundet. Es gibt ein paar Richter, die haben wie ich einer Dauerkarte bei Bayer Leverkusen. Da sehen wir uns dann auch im Stadion.“

Inzwischen hat Kruse die ersten Verfahren schon hinter sich und meint: „Es könnten noch ein paar Mandanten mehr sein. Aber ich kann nicht klagen.“ Dann verschwindet er wieder im Gerichtsaal. Wie inzwischen seit mehr als 40 Jahren. Er sitzt nur auf einem anderen Stuhl.