Politik Kita-Eltern müssen zur Impfberatung, Impfen ist Privatsache
Düsseldorf · Die Bundesregierung zieht wegen der steigenden Zahl von Masern-Erkrankungen eine Impfpflicht in Kitas in Erwägung. Aktuell sind Kita-Eltern nur verpflichtet, einen Nachweis über eine Impfberatung zu erbringen.
Die Zahlen sind erschreckend: Im vergangenen Jahr wurden 543 Masernfälle an das Robert-Koch-Institut, das Bundesinstitut für Infektionskrankheiten, übermittelt. 2017 waren es 929 Fälle, 2016 noch 325. Die höchste Zahl gab es 2015 mit 2465 Infizierungen. Angesichts dieser Zahlen hat sich auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für eine Impfpflicht in Kitas und Schulen ausgesprochen. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte fordert sie schon länger (siehe Interview). Wie gehen Kitas aktuell mit dem Thema Impfen um und was würde sich durch eine Impfpflicht ändern?
Laut Infektionsschutzgesetzes sind Eltern schon heute verpflichtet, vor dem Eintritt des Kindes in eine Kita den Nachweis über eine ärztliche Impfberatung zu erbringen. Diesen Nachweis stellt der Kinderarzt entweder als separate Bescheinigung aus oder Eltern können die Beratung durch den entsprechenden Eintrag im gelben Untersuchungsheft nachweisen. Wird der Nachweis nicht erbracht, müssen Kita-Leitungen die Eltern beim Gesundheitsamt melden. Wer vorsätzlich oder fahrlässig diesen Nachweis nicht oder nicht rechtzeitig erbringt, kann sogar mit einer Geldbuße von bis zu 2500 Euro belangt werden.
Wie das Ergebnis einer solchen Beratung ausfällt, ob ein Kind geimpft oder nicht geimpft wird, hat damit nichts zu tun – die Kita darf weder das U-Heft einsehen noch müssen Eltern Fragen zum Impfstatus des Kindes beantworten. „Wir befürworten es sehr, wenn Kinder, die unsere Einrichtungen besuchen, geimpft sind“, sagt Christoph Wand, Sprecher der Diakonie. Eine Einschätzung, wie viele Kinder in den Diakonie-Kitas tatsächlich geimpft sind, kann er aber nicht geben. „Eltern sind nicht verpflichtet, diese Information den Mitarbeitern in den Kitas mitzuteilen“, sagt er. Über in der Kita kursierende ansteckende Krankheiten wie beispielsweise Windpocken würde am schwarzen Brett der jeweiligen Kitas informiert. „Dann ist es an den Eltern, gegebenenfalls Maßnahmen zum Schutz des Kindes zu ergreifen.“
Wie könnte eine gesetzlich verankerte Impfpflicht aber in der Praxis durchgesetzt werden? „Ungeimpfte Kinder, die bereits eine Einrichtung besuchen, werden sicherlich nicht rausgeworfen. Die Impfpflicht wird in erster Linie die neu aufzunehmenden Kinder betreffen“, glaubt er. „In jedem Fall braucht eine solche Änderung Vorlauf und Planung. Wir sind offen dafür.“ Offen ist auch das städtische Jugendamt: „Bei einer Verpflichtung würden die Kita-Leitungen das Gesundheitsamt unterstützen. Es gibt eine gute Zusammenarbeit“, heißt es. Über den Nutzen von Impfung würden die Kitas heute schon die Erziehungsberechtigten durch Elternbriefe des Gesundheitsamtes informieren.
Heidrun Schneider leitet die private Tagespflege „Kinderland“ in Ludenberg und betreut zurzeit fünf Kinder. Sie hat ihre Meinung hinsichtlich der Notwendigkeit von Impfungen geändert. „Vor Jahren hatte ich auch Kinder dabei, die ausschließlich gegen Tetanus geimpft waren. Darauf habe ich immer noch Wert gelegt, weil wir täglich mit den Kindern in den Wald gehen“, sagt sie. Andere Impfstoffe wurden von den Eltern aber abgelehnt. Heute würde Heidrun Schneider das nicht mehr akzeptieren. „Dass Krankheiten wie Masern wieder auf dem Vormarsch sind, dagegen muss man etwas tun.“
In ihrer aktuellen Gruppe sind alle Kinder komplett geimpft. „Und ich tendiere dazu, künftig nur noch geimpfte Kinder aufzunehmen.“ Eine Impfpflicht befürwortet sie. „Impfen oder nicht impfen ist eine Entscheidung, die nicht nur das eigene Kind betrifft. Man entscheidet für die anderen mit“, sagt sie.