Blind für einen Tag: Fans der Fortuna machen den Test

Zu einer ungewöhnlichen Aktion hatte Fanbetreuer Stefan Felix geladen. Fans konnten das Spiel nur hören, nicht sehen.

Düsseldorf. Peter Sommers Hand wandert hilfesuchend zu seinem Begleiter Rakavan Jeyapalan. „Ich bin völlig orientierungslos“, sagt der 56-Jährige und nestelt planlos an seinen Handschuhen, bis ihm Jeyapalan hilft, den richtigen Handschuh über die richtige Hand zu ziehen. Beide freuen sich auf das Spiel der Fortunen gegen die Augsburger. Für die Dauerkartenbesitzer ist es eigentlich eines von vielen Spielen. Und doch etwas Besonderes. Denn Sommer wird das Spiel fast blind verfolgen. Er trägt eine Brille, die bis auf zwei kleine Punkte sein Sichtfeld fast völlig schwarz macht. Er hat einen sogenannten Röhrenblick.

Neben Peter Sommer haben an diesem Sonntag noch vier weitere Arena-Besucher Brillen auf, die entweder völlig blind machen oder Augenkrankheiten mit geringem Restsehvermögen simulieren. Sie geben in etwa das Gefühl, durch Milchglas zu schauen. Die Idee zu der Aktion stammt von Stefan Felix. Er ist bei der Fortuna der Fanbeauftragte für die Blinden und Sehbehinderten. Und er ist selber blind. „Mit den Brillen können wir sehenden Fans deutlich machen, wie es für uns ist, ein Spiel zu verfolgen.“

Erste Probleme ergeben sich auf dem Weg vom Konferenzraum, wo die Brille ausgegeben wurden, zu den Plätzen in Block 1. Im Aufzug sagt Peter Sommer noch eine nette Stimme, in welcher Etage er sich befindet. Doch als die Türen aufgehen, stürmt er los — und prompt in die falsche Richtung. „Worauf habe ich mich nur eingelassen?“, fragt sich Jeyapalan und macht sich auf, den Kumpel einzufangen.

Der weitere Weg verläuft weitestgehend unfallfrei, von einem kleinen Stolperer über einen Türstopper mal abgesehen. „Ich hatte vergessen, dass er den nicht sehen kann“, sagt Jeyapalan.

Im Block bekommen die Test-Blinden Kopfhörer. Andrej Myrokis und Frank Breuers kommentieren darüber das Spiel nicht nur im Wechsel, sie beschreiben von der Trikotfarbe bis zur Position der Spieler auf dem Platz alles. Bei den Blinden konzentriert sich währenddessen alles auf die Ohren. Mit Musik, Fangesängen, Gebrüll und eben den Kommentaren über die Kopfhörer werden sie beschallt.

„Es ist laut. Der Kommentar ist aber sogar noch viel detaillierter als im Radio. Ich habe nur das Gefühl, der Kommentator mag den Bellinghausen nicht — oder spielt der wirklich so schlecht?“, so Sommer. Durch die kreisförmigen Löcher in der Brille sieht er wenigstens ein bisschen, was auf dem Spielfeld los ist. Sein Kopf wandert wie beim Tennis dem Ball hinterher.

Nach 94 Minuten sind alle froh, die Brillen abnehmen und wieder sehen zu dürfen. „In kritischen Situationen war ich manchmal kurz davor, sie mir vom Gesicht zu reißen“, gibt Nicole Böhm zu. Doch alle waren eisern. „Das war wirklich mal eine Erfahrung. Es ist schon spitze, was der Verein für blinde Fans möglich macht“, sagt Sommer.