Bücherei in Flingern: Ein Treffpunkt nicht nur für Leser

Maria Terbuyken betreut seit Jahrzehnten die Bücherei an der Degerstraße. Dabei erlebte sie den Wandel des Viertels.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf-Flingern. Eigentlich wollte Maria Terbuyken nur für ein paar Jahre nach Flingern ziehen, in Flehe war sie groß geworden. Doch das war in den 70ern, und noch heute lebt sie in derselben Wohnung in der Hermannstraße. In der Zeit hat sie erlebt, wie der Stadtteil sich verändert hat. Und dafür gekämpft, dass die öffentliche katholische Bücherei an der Liebfrauenkirche zu einem Treffpunkt im Stadtteil wurde und blieb.

In den 80er Jahren fing sie an, sich neben ihrer Arbeit als Laborassistentin ehrenamtlich um die Bücherei an der Degerstraße zu kümmern. Doch die war damals in keinem guten Zustand. Und so stellte Maria Terbuyken eine Bedingung: „Ich habe gesagt, ich fange dort an, wenn die Bücherei saniert wird.“ Damit hatte sie sich auch selber eine große Aufgabe gestellt, denn am Neuaufbau wirkte sie dann gleich selbst mit.

Rund 25 000 Mark stellte die Kirche damals für neuen Bestand zur Verfügung. Doch nicht nur die Bücher waren veraltet, auch die Technik. Monatelang fiel die Heizung aus: „Mit eiskalten Fingern haben wir hier die Bücher neu sortiert“, erzählt Maria Terbuyken.

Aber auch sonst waren die Zeiten rauer. Sie erinnert sich an Jugendliche, die damals im Stadtteil unterwegs waren und viel Unsinn im Kopf hatten. Im Laden etwas stehlen oder sich mit Obdachlosen anlegen, das seien damals Mutproben gewesen, die sich 16-Jährige ausdachten. Vor der Bücherei standen mal viele aussortierte Bücher, die nahm eine Gruppe und stapelte sie vor der Tür auf, dass die Mitarbeiter praktisch eingemauert waren.

Maria Terbuyken konnte das nicht schrecken, sie bedauert, dass heute viele Familien aus dem Viertel wegziehen, wenn das dritte Kind komme und sie sich die Mieten nicht mehr leisten können. Auch die Bücherei — zwar kirchlich, aber für alle offen — betreffe, dass weniger Menschen kämen. Maria Terbuyken und ihre Mitstreiter versuchen deshalb, mit Lesungen und anderen Veranstaltungen Menschen in die Räume zu ziehen.

Doch dann gibt es noch diejenigen, die weniger wegen der Bücher kommen. Sie wollen einfach mal mit jemandem eine Tasse Kaffee trinken und reden. Maria Terbuyken kennt viele Menschen aus dem Stadtteil und ihre Geschichten. Nicht selten erzählen sie von Krankheit, Arbeitslosigkeit oder psychischen Problemen.

Für die hat Maria Terbuyken ein offenes Ohr. Manchmal kommen ihr die Bücher dabei etwas zu kurz. Über Literatur hat sie in den Jahren viel gelernt, ein Kunde der Bücherei war Lektor, er hat ihr manches beigebracht über Imre Kertész oder Harry Mulisch.

In Flingern ist Terbuyken längst angekommen, freut sich über die vielen Läden, das Leben auf der Straße und den Wochenmarkt auf dem Hermannplatz. Da sei es am Samstag ein bisschen wie auf dem Dorf. Nur an an eins hat sie sich nie gewöhnt: „Ich vermisse den Rhein.“