Das Schweigen besiegen — Hilfe für Vergewaltigungsopfer
Opfer von sexuellen Übergriffen leiden nach der Tat oft an psychischen Störungen.
Düsseldorf. Kathrin S. (26) wurde vor einem Jahr von einer Diskobekanntschaft vergewaltigt. Aus Scham erzählte sie ihrer Familie und Freunden nichts davon. Sie hatte Angst, dass man ihr eine Mitschuld an der Vergewaltigung geben würde und versuchte, alles alleine zu verarbeiten. Doch nach mehreren Wochen entschied sie sich in ihrer Verzweiflung, professionelle Hilfe bei der Frauenberatungsstelle zu suchen. „Ich habe erst hier wieder gelernt, zu lachen. Allein die Möglichkeit, mit jemandem über die Sache zu sprechen, war eine echte Befreiung“, sagt die Bürokauffrau.
Wenn das Thema „Vergewaltigung“ in den Medien auftaucht, richtet sich das Interesse meist auf die Täter und die Fahndung nach ihnen. Die Folgen für die Opfer einer Vergewaltigung werden nur selten oder gar nicht thematisiert.
Um Kathrin S. und andere Opfer sexueller Gewalt kümmern sich bei der Beratungsstelle zehn speziell ausgebildete Therapeutinnen: „Das Allerwichtigste ist, dass die Opfer jemanden haben, der für sie da ist“, sagt Etta Hallenga, seit 20 Jahren Beraterin. Denn die Opfer schweigen in den meisten Fällen. „Die Dunkelziffer wird auf 80 Prozent geschätzt. Das heißt, nur eine von fünf Frauen zeigt einen sexuellen Übergriff an“, sagt Kurt-Peter Schnabel, Leiter der Abteilung Kriminalprävention der Polizei.
Die Gründe für das Schweigen sind vielfältig. Die Opfer wollen keine Belastung für Familie oder Freunde darstellen oder befürchten eine von Mitleid geprägte Reaktion. Oft machen sie sich wie Kathrin S. auch Vorwürfe, dass sie die Vergewaltigung möglicherweise provoziert haben könnten. Eine anonyme Anlaufstelle ist für viele oft die einzige Möglichkeit, das Schweigen zu überwinden: „Wegen der Anonymität können die Frauen leichter über das Trauma sprechen. Sie empfinden unsere Hilfe nicht als Mitleid“, berichtet Hallenga.
Eine zweite Betreuungsstelle für Opfer von Vergewaltigungen oder sexuellen Missbrauchs ist die Ambulanz für Gewaltopfer des Gesundheitsamtes. Die Hauptaufgabe bei der Opferbetreuung liegt nach Ulrich Pasch, Leiter der Ambulanz, darin, „bei den Opfern wieder ein Gefühl von Sicherheit herzustellen“. Das Misstrauen zu überwinden und neue Bindungen einzugehen, fällt ihnen schwer: „Wir versuchen ihnen den Glauben an das Gute zurück zu geben“, sagt Hallenga.
Kathrin S. ist froh, dass sie den Mut aufgebracht hat. „Mittlerweile geht es mir wieder so gut, dass ich auch mit Freunden ausgehe und Spaß haben kann. Ohne die Hilfe wäre das vielleicht nicht der Fall“.