Der Mörder ist unter uns

„Straftaten gegen das Leben“ werden fast immer aufgeklärt. Trotzdem gibt es Fälle, die nicht gesühnt werden.

Düsseldorf. Die Freunde von Susanne Lucan waren am Abend des 20.November 2004 in die Benzenbergstraße gekommen, um mit der jungen Frau ihren 27. Geburtstag groß zu feiern. Doch vor der Wohnung trafen sie auf Einsatzkräfte der Feuerwehr, die gewaltsam die Tür aufbrachen. Auf ihrem Bett lag Susanne Lucan: erschlagen, die Wand war mit Blutspritzern übersät.

Vier Jahre später ist der Mörder von Susanne Lucan noch immer auf freiem Fuß. Und er ist nicht der einzige.

Obwohl die so genannten "Straftaten gegen das Leben" häufiger als jedes andere Delikt aufgeklärt werden, gibt es Fälle, die nie gesühnt werden. Für die Hinterbliebenen eine Tortur. Inge Meuter, die Mutter von Susanne Lucan, schaltet seit Jahren Zeitungsanzeigen, fordert den Mörder auf, zu gestehen. Sie schreibt: "Bis heute quälen mich die Gedanken, warum Susanne sterben musste."

In der Polizeistatistik gilt der Fall Lucan indes als aufgeklärt, die Kripo hat ihre Akten der Staatsanwaltschaft übergeben. Die Beamten sind sicher, den Mörder zu kennen: Lucans damals 30-jährigen Ex-Freund. "Das Problem ist, dass wir nur Indizien haben", sagt Staatsanwalt Christoph Kumpa. Und die reichen seiner Ansicht nach bisher nicht aus, um den Verdächtigen vor Gericht zu stellen.

Unstrittig ist, dass Lucan und ihr Ex am Abend vor der Party beim Griechen auf ihren Geburtstag anstießen. "Diese Beziehung war nicht eindeutig", sagt Kumpa. Immerhin fuhr der Mann nach dem Essen noch mit in die Wohnung an der Benzenbergstraße. Sie sahen sich eine DVD an. Er blieb nach eigener Aussage bei Susanne Lucan, bis diese eingeschlafen war. Kumpa: "Das war wohl ein Ritual der beiden."

Der Verdächtige war am nächsten Tag unter den Gästen, die vor Lucans Tür warteten, als die Feuerwehr sich Zutritt zu der Wohnung verschaffte. Angeblich hatte er den gesamten Tag über versucht, die Frau zu erreichen, sich gesorgt. Mit dem Ersatzschlüssel kam er nicht in die Wohnung, weil Susanne Lucans eigener Schlüssel von außen abgebrochen im Schloss steckte. Schließlich war auch er es, der die Einsatzkräfte alarmierte. "Er wirkte geschockt", sagt Kumpa. "Seine Reaktion auf das Verbrechen war nicht auffällig."

Wohl aber sein Verhalten am Vorabend. Nachdem er die Wohnung Lucans verlassen hatte, rief er zahlreiche Bekannte an - trotz der späten Stunde. "Es ist möglich, dass er sich im Nachhinein ein Alibi verschaffen wollte", mutmaßt Kumpa. Zudem hatte er wohl ein Motiv: eine neue Freundin, von der Susanne Lucan nichts wusste. Mittlerweile ist sie seine Frau.

Fest steht auch, dass Susanne Lucan noch in der Nacht starb. War es nicht ihr Ex-Freund, so gibt es nur eine Möglichkeit: "Kurz nachdem er gegangen war, hätte sie dem großen Unbekannten die Tür öffnen müssen", verdeutlicht Kumpa. "Aber auf den deutet nichts hin."

Das große Problem der Ermittler ist hausgemacht: Der Fall Lucan ging bei der Polizei erst einmal als Suizid ein. "Da gab es ein Kommunikationsproblem", sagt Kumpa. "Mit den Spuren am Tatort wurde daher wohl nicht so umgegangen, wie wir uns das jetzt wünschen würden."

Trotzdem gibt der Staatsanwalt nicht auf. Er lässt noch einmal alle Asservate - darunter Faserspuren aus dem Auto des Mannes - untersuchen. Zudem wird der Mageninhalt Lucans noch einmal analysiert, um den Todeszeitpunkt genauer einzugrenzen. Kumpa hofft, dass dieser in eine Zeit fällt, in welcher der Verdächtige nach eigener Aussage noch in der Wohnung war. Kumpa: "Das ist der letzte Strohhalm."

Kumpas Job ist oft ein Griff nach Strohhalmen. Auch in einem aktuellen Fall: der Toten im Flingeraner Hotel. Zurzeit wird geklärt, ob Claudia D. am 4. Januar stürzte oder erschlagen wurde. War es Mord, könnte auch er ungesühnt bleiben: Denn eine Spur gibt es nicht.