Düsseldorf Die Reptilienretter der Wehr sind gefragt
Schlangenfachmann Michael Harzbecker und seine Truppe werden in ganz NRW zu exotischen Einsätzen gerufen.
Düsseldorf. Als vor vier Wochen eine Riesenschildkröte von 50 Kilo durch Flingerns Gärten taperte, rückten sie aus: die Männer von der Reptilienfachgruppe bei der Düsseldorfer Feuerwehr. Ihr Chef Michael Harzbecker gilt seit über 15 Jahren als Fachmann für Exoten. Inzwischen hat er aber eine ganze Truppe um sich versammelt, die weit über die Grenzen der Stadt und sogar NRWs hinaus um Rat gefragt wird.
Vor wenigen Wochen etwa bekam Christoph Müller, einer der sechs Düsseldorfer Reptilien-Experten, abends gegen 22 Uhr einen Hilferuf aus Bad Lippspringe. Eine Familie hatte im Schrank einen gruseligen Fund gemacht: „Da war zwischen Unterhosen und Jeans eine Schlange — etwa einen Meter lang.“ Der Fachmann konnte rasch Entwarnung geben: Es handelte sich um eine ungefährliche Königsnatter. Wie sie in die Wäsche kam, weiß er indes bis Mittwoch nicht. Anders als Harzbecker, der seit seiner Kindheit Reptilien züchtet, hatte Müller nie einen Bezug zu Schlangen. Als er in seiner Ausbildung — die Mitarbeiter der Fachgruppe haben alle Sachkundenachweise und jährliche Schulungen im Umgang mit Gefahrtieren — zum ersten Mal eine Giftschlange anfassen sollte, war das „schon eine Hausnummer“ für ihn.
Inzwischen gehören Skorpione im Reiserucksack, Frösche in der Ananaskiste und Dornfinger-Spinnen zwischen Trauben zu seinem Alltag — die Reptilienfachgruppe ist inzwischen Ansprechpartner für alle Tiere, die Angst machen. Harzbecker und seine Jungs wissen daher auch immer, wo welches Antiserum steht. Damit rettete der Experte mal einen Weseler, der von seiner chinesischen Nasenotter gebissen wurde. „Wenn die beißt, gibt sie immer Gift ab. Und das wirkt auf die Blutgerinnung“, erklärt er. In einem nächtlichen Krimi — unrühmliche Nebenrolle spielte ein Arzt, der dem Feuerwehrexperten erst glaubte, wie gefährlich die Schlange sei, als der Patient Bluttransfusionen im Akkord brauchte — besorgte er das Serum aus der Schweiz, das Biss-Opfer überlebte knapp.
Der Kampf der Reptilienretter ist häufig einer gegen Dummheit. Zwei halberfrorene Sechs-Meter-Pythons hat Michael Harzbecker schon aus einem winzigen Aquarium in einer Privatwohnung gerettet. In Garath 2014 dutzende Schlangen — darunter Mambas, Kobras und Klapperschlangen —, weil der Mieter in den Knast gekommen war; alle Tiere verwahrlost, viele krank. Den Kampf gegen Unwissenheit hingegen hat die Feuerwehr in Düsseldorf weitgehend gewonnen: Zu vielen Aufklärungsaktionen war die Reptilientruppe in Randgebieten wie Hubbelrath, um über die heimische Fauna aufzuklären. „Von da kommen jetzt kaum mehr Notrufe wegen ungefährlicher Ringelnattern“, freut sich Harzbecker.
Es bleibt der Kampf um Arbeitskraft. Denn die Fachgruppe hat zwar sechs Mitarbeiter — aber keinen eigenen Stellenplan. Meint: Die Feuerwehrmänner retten Exoten nebenbei. Nicht selten in ihrer Freizeit. 35 bis 70 Einsätze haben sie pro Jahr, in diesem bis dato schon 40. „Ich habe meine Familie schon im Eiscafé sitzenlassen, um einen Schlangeneinsatz zu übernehmen“, sagt der Chef der Truppe. Wie lange er das noch machen will — er lässt die Frage offen.