Fehlende Plätze, steigende Nachfrage Mehr Gewalt – wann kommt das dritte Düsseldorfer Frauenhaus?

Düsseldorf · Die Zahl derer, die Schutz vor häuslicher Gewalt suchen, steigt nach Einschätzung von Expertinnen. Stadt und Land wollen handeln.

Etta Halenga (l., hier in einer Beratung in dieser Woche) gehört zum Team der Düsseldorfer Frauenberatungsstelle.

Foto: ja/Georg Salzburg

Expertinnen und Betroffene drängen auf ein drittes Düsseldorfer Frauenhaus. Bislang gibt es zwei Einrichtungen, in denen jene Schutz finden, die – oft über lange Zeit – von ihrem Partner gewürgt, geschlagen, gedemütigt, durch ihn von der Außenwelt ferngehalten oder öffentlich bloßgestellt wurden.

Eine rückläufige Entwicklung ist nicht erkennbar. Im Gegenteil. „Die Zahl der Beratungen und der Beraterinnen hat zugenommen, zudem steigt die Zahl der Klienten pro Beratungskraft“, sagt Luzia Kleene. Die Sozialpädagogin und Juristin kann das einordnen, denn sie arbeitet seit 1989 in der Düsseldorfer Frauenberatungsstelle. Als sie dort startete, gab es in einem Jahr insgesamt 150 Beratungen zu den unterschiedlichsten Themen. Inzwischen, so Kleene, kommt eine einzige Vollzeit-Beraterin allein im Teilbereich Häusliche Gewalt/Trennung „schnell mal auf 150 ratsuchende Frauen im Jahr“.

Häufung der besonders
krassen Fälle

Was ihr Sorgen bereitet, ist die Zunahme von krassen Einzelfällen. „Ich nehme da eine Häufung wahr“, sagt die Expertin. Für 2023 hat sie in den einschlägigen Polizeiberichten fünf Düsseldorfer Fälle identifiziert, die nach ihrer erweiterten Definition mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Kategorie der (versuchten) Femizide hineinfallen könnten. „Für mich zählen dazu alle Taten, bei denen Männer Frauen so verletzen, dass sie gestorben sind oder hätten sterben können – unabhängig vom konkreten Motiv oder möglicherweise noch ausstehenden Urteilen.“ Als Beispiele nennt die 62-Jährige Vorfälle, wie jenen in Garath im vergangenen April, bei dem ein Mann seine Ehefrau mit einem Messer schwer verletzt hatte, oder einen weiteren in Düsseltal im November, bei dem ein 48-Jähriger seine Ehefrau mit einem Messer attackiert hatte. Die Frau schwebte danach in Lebensgefahr.

Doch die Zahl der Plätze in den beiden Düsseldorfer Frauenhäusern folgt dieser Entwicklung bislang nicht. Elf sind es im Internationalen Frauenhaus der Arbeiterwohlfahrt (Awo) und acht in der Einrichtung des Vereins „Frauen helfen Frauen“. Zum Vergleich: 2023 wurden allein in Düsseldorf nach Angaben des Landes NRW 185 Aufnahmegesuche wegen Überbelegung abgelehnt. Zwar sagt diese Statistik nichts über Mehrfach-Anfragen aus und lässt offen, welche Frauen an anderen Orten doch noch unterkommen konnten. Aber Kleene und ihre Mitstreiterin Etta Hallenga wissen auch ohne Statistik-Tabellen, dass in der bundesweiten Online-Liste mit aktuell verfügbaren Frauenhaus-Plätzen das Kästchen bei den beiden Düsseldorfer Standorten praktisch rund um die Uhr auf Rot („keine Kapazitäten“) steht. Springt das Kästchen dann doch einmal auf Grün, ist der Platz meist innerhalb von Minuten vergeben.

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„Geht es nach den in der Istanbul-Konvention definierten Standards, müssten in Düsseldorf mit seinen rund 640 000 Einwohnern 64 Plätze für Frauen und ihre Kinder, die sich vor Gewalt in Sicherheit bringen, vorgehalten werden“, sagt Hallenga. Dass diese Zielmarke bald erreicht wird, halten die Expertinnen für unwahrscheinlich. „Aber zumindest das dritte Frauenhaus ist machbar und es hätte längst eröffnet werden müssen“, betont Kleene. Eine Einschätzung, die Silvia Röck, Leiterin des Internationalen Frauenhauses, teilt: „Die Beratungen nehmen zu, gleiches gilt für die Gefährdungslagen.“

Dringenden Handlungsbedarf sehen die Expertinnen auch bei den schon vor längerer Zeit ins Auge gefassten Sofort-Aufnahmeplätzen. Dort können Frauen in Not ein paar Tage bleiben, um in Ruhe zu klären, wie und wo es danach weitergeht. Vorbild-Projekte gibt es unter anderem in Hamburg, Hannover und Leipzig. „Ein Konzept dazu konnten wir bereits im vergangenen Jahr abschließen“, sagt Kleene. Doch umgesetzt wurden diese Pläne für eine solche Clearingstelle bislang nicht. Ein wichtiger Grund dafür ist die Finanzierung. „Land und Stadt müssen sich darüber verständigen“, meint die Frauenberaterin.

Dass Geld eine Rolle spielt, bestätigt die Stadt auf Anfrage. „Der Start kann erst nach einer Abstimmung der Finanzierung mit dem Land erfolgen. Darüber hinaus müssen eine geeignete Immobilie sowie ein Träger gefunden sein“, stellt eine Sprecherin fest. Allerdings hält sie eine Eröffnung bereits im kommenden Jahr für denkbar: „Unter Erfüllung dieser Voraussetzungen wäre ein Start im Jahr 2025 möglich.“ Zudem sei geplant, die neue Clearingstelle für Sofort-Aufnahmen in den dritten Standort zu integrieren. Insgesamt seien acht reguläre Plätze plus vier Sofort-Aufnahmeplätze für das künftige Projekt geplant, so die Sprecherin. Wer das Konzept umsetzen wird, ist noch offen. Potenzielle Träger seien aufgefordert, zeitnah ein Konzept vorzulegen. Es gebe mehrere interessierte Träger, „die – genau wie die Stadt – nach geeigneten Immobilien suchen“, betont die Sprecherin.

(jj pvk)