Düsseldorf: Immer mehr Drogensüchtige suchen Hilfe
1500 Menschen wurden 2016 substituiert. Die WZ hat mit Expertinnen darüber gesprochen.
Düsseldorf. Sich die Sucht einzugestehen, ist der erste Schritt. Was dann folgt, ist ein langer, harter und quälender Weg. Denn wer aus der Sucht ausbrechen will, braucht Unterstützung. Bei allem guten Willen und aller Anstrengung sind Abhängigkeiten vor allem eines: schwer zu überwinden. Für den Betroffenen geht es nicht nur um Abstinenz, sondern zudem um die Rückgewinnung von Kontrolle und gesellschaftlicher Anerkennung.
Wenn es ohne die Droge nicht geht, dann können Ärzte ihre Suchtpatienten (meist Heroin) substituieren. Sie geben ihnen ein Mittel (Methadon, Polamidon, Buprenorphin, Diamorphin), das ähnlich wirkt, aber nicht so stark ist und oft weniger schädliche Langzeitfolgen hat. So sollen die körperlichen Entzugssymptomen bei akuter Abhängigkeit von Opiaten (meist Heroin) verhindert werden. Das Therapiekonzept beinhaltet jedoch nicht nur die Vergabe, sondern auch die Planung weiterer Schritte zur Stabilisierung.
In Düsseldorf wurden im vergangenen Jahr rund 1500 Menschen substituiert. Damit ist eine leichte Steigerung zu verzeichnen, 2015 waren es 1467 Personen. Substituiert wird in sieben Praxen und in der Methadonambulanz, die im kommenden Jahr geschlossen wird (siehe unten).
Die Allgemeinmedizinerin Dr. Dagmar Anheyer ist Substitutionsärztin. Gemeinsam mit Birgit Schmitz, Leiterin der Drogenberatungsstelle komm-pass, begann sie 2013 das Projekt „PsB vor Ort“ (Psychosoziale Betreuung vor Ort). Patienten waren langjährig opiatabhängig, hatten „hohen Bedarf und eine geringe Motivation“. Bestandteil des Projekts waren engmaschige Begleitungen, gemeinsame Besprechungen und — damals ein Novum — Gespräche zwischen der Ärztin, dem Patienten und dem betreuenden Sozialarbeiter. Die Auswertung nach einem Jahr ergab eine deutlich positivere Entwicklung als bei der parallel geführten Vergleichsgruppe. Viele beendeten ihre Wohnungslosigkeit, verringerten den Beikonsum oder wurden abstinent. Nach Beendigung des Projekts wurde die Kooperation zwischen der Praxis Anheyer und der Drogenberatungsstelle komm-pass weiter geführt.
„Die Tageskonsumkosten liegen oft bei rund 300 Euro“, erklärt Dagmar Anheyer. „Um dieses Geld zu beschaffen, wird geklaut, sich prostituiert. Die Menschen stehen alle unter einem starken Druck, haben große soziale Probleme.“ Birgit Schmitz fügt hinzu: „Hinzu kommt die Scham, dann der Wunsch, diese wieder zu betäuben. Man spricht hier von der Bewältigungsstrategie. Es ist oft ein Teufelskreis. Wir versuchen die Menschen sozial aufzufangen, sie zu begleiten.“ Beide haben die Erfahrung gemacht, dass nach der ersten Phase des Misstrauens die Patienten sehr dankbar seien und sich öffnen würden. „Die Ärzte werden oft wie eine Art Bestrafung wahrgenommen. Aber wenn es gut läuft, dann spricht sich auch das in der Szene sehr schnell herum“, weiß Dagmar Anheyer.
Für die Zukunft erhoffen sie sich neben einer stetig steigenden Zahl von positiv verlaufenden Substitutionen noch mehr Respekt für die Betroffenen. „Viele blicken sehr herablassend auf Süchtige. Man sollte bei sich anfangen hinzugucken und dann erst urteilen“, betonen beide.