Oldschool-Rap mit Hardrock — die Prophets of Rage
Das Quintett aus Musikern von Rage against the Machine, Public Enemy und Cypress Hill mit Urgewalt auf der Bühne.
Ehe es losgeht mit der Rebellensause, muss der DJ an seinem Pult schnell noch Jimi Hendrix durch die Boxen jagen. „Star Spangled Banner“. Die einst in Woodstock auf der weißen Stratocaster auf so wundervolle Weise vom Gitarrengott zerfetzte US-Nationalhymne. Die wahrscheinlich erste knallharte Politaussage in der Geschichte der populären Musik überhaupt — gerade weil sie von einem schwarzen Musiker stammte. Dieser kurze Sample von kaum einer halben Minute Dauer vor Konzertbeginn, weist den Weg, den die Prophets Of Rage im Anschluss gute eineinhalb Stunden lang beschreiten werden: der Weg des Aufbegehrens und der Revolte, gepflastert mit Steinbrocken im Songformat, die ineingeschmissen werden in die Fratze des Weltbösen.
Die Prophets Of Rage huldigen ihrer Sache mit immer wieder gen Decke gereckter Kämpferfaust und Ansagen, die für arg konservative Menschen wohl als Agitation durchgingen. „Take the power back“, „Guerilla Radio“, „Fight the power“, „Bullet in the head“. Jeder Song ein Statement. Jede Zeile ein Ausrufezeichen gegen Polizeigewalt, Rassismus, Paradise-Paper-Namen, Trump und Turbokapitalismus. All das ist fest in der DNA eines jeden Musikers verankert, der an diesem Abend auf der Bühne der Halle an der Siegburger Straße steht. Genauer gesagt vereint das Quintett ja 90 Jahre politischer Musik auf sich: So lange existieren parallel zu diesem Super-Projekt zumindest jene Bands, in denen Gitarrist Tom Morello, Bassist Tim Commerford, Schlagzeuger Brad Wilk sowie die beiden Sänger Chuck D und B-Real etatmäßig spielen: Rage Against The Machine (26 Jahre), Public Enemy (35) und Cypress Hill (29 Jahre).
Die heilige Dreifaltigkeit und Speerspitze jener Bands, die Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre Gewissen, Relevanz und konsequente Solidarität mit den Armen und Benachteiligten dieser Welt in die Charts brachten und die dabei kein Blatt vor den Mund nahmen. Denn wer ein Blatt vor dem Mund hat, der kann ja nicht ausspucken und schreien. Dass so etwas — so ein Konzept von Kunst, die auf Gedeih und Verderb mit Politik verknüpft ist — heutzutage noch und wieder aktuell und notwendig ist, macht auf der einen Seite betroffen. Auf der anderen Seite aber ist es auch ein Beweis für die Zeitlosigkeit, der Musik manchmal unterworfen ist. Diese fünf Männer dort vorne mögen alle älter geworden sein. Und wer es ganz, ganz böse mit ihnen meint, der könnte sogar sagen: Die wenigen neuen Songs sind nur Zierrat für eine Cover- und Nostalgieshow vollgepfropft mit den alten Hits der jeweiligen Ur-Bands, die natürlich erwartbar in das Stakkato-Riff-Monstrum „Killing in the name of“ (Rage Against The Machine) mündet.
Indes: Diese fünf Männer sind noch immer fähig, eine kleine Urgewalt zu entfachen und zu zeigen, dass Oldschool-Rap sowie der Crossover-Mix zwischen Rap und hartem Rock einmal die wichtigsten und gefährlichsten Genres dieser Popmusikwelt waren. Alleine den beiden Frontmännern Chuck D und B-Real beim Hüpfen, Rennen und Reimen zuzuhören, ist umwerfend und eine Freude. Und wenn Tom Morello auf seiner Gitarre wie ein DJ auf dem Plattenteller kratzt und überhaupt die unmöglichsten und unwahrscheinlichsten Sound-Spielereien zwischen Quietschen, Fiepen und Rattern veranstaltet, dann sind in Sachen Zurückhaltung sowieso Hopfen und Malz verloren. Dann möchte man direkt im Anschluss endlich wieder mal rausgehen und irgendwas machen. Protestieren. Demonstrieren. Handeln eben. Falsch kann das nicht sein. Genauso wenig wie die Erkenntnis, dass entgegen der landläufigen Meinung musikalisch alles schlecht gewesen sei an den 80er und 90er Jahren. Das war es nämlich ganz und gar nicht.