Gerichtsprozess auf dem Worringer Platz „Es geht nur um den Zaun“

Düsseldorf · Der Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat am Donnerstag auf dem Worringer Platz verhandelt, zwischen Pizzeria und Straßenbahngleisen, umringt von Schaulustigen. Es geht um einen Zaun, der längst zum Politikum geworden ist.

Das Oberlandesgericht hat den Prozess um einen Zaun an den Ort des Geschehens verlegt: mitten auf den Worringer Platz.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Selbst der Vorsitzende des Zivilsenats des Oberlandesgerichtes muss sich anstrengen, um gehört zu werden, inmitten hupender Autos, röhrender Motoren und quietschender Straßenbahnen. Zwar sind Gerichtsverhandlungen grundsätzlich öffentlich, doch selten so öffentlich wie in diesem Streit um einen Zaun. Das OLG hatte die Verhandlung an den Ort des Geschehens verlegt: mitten auf den Worringer Platz.

Auf der einen Seite: Der Besitzer der dortigen Pizzeria, Hassan Akgüvercin, der den strittigen Zaun um die Terrasse seines Lokals gezogen hat. Denn der Worringer Platz ist ein Treffpunkt für Drogenabhängige und diese hätten seine Gäste belästigt oder gar vertrieben, im Restaurant um Essen gebettelt, Spritzen und Fäkalien hinterlassen, berichtet er. Um sein Geschäft zu schützen, habe er den Zaun gebaut – mit Genehmigung der Stadt, die Eigentümerin des Platzes ist.

Auf der anderen Seite: Die Architektin des Platzes, Christiane Voigt, die gegen den Zaun klagt. Denn sie sieht durch den Zaun ihr Urheberrecht verletzt. Sie habe das Plateau vor 20 Jahren als einen Ort der Begegnung geplant, die Einzäunung verstoße gegen diesen Ansatz.

Düsseldorfer Landgericht
hatte die Klage zurückgewiesen

Um sich selbst ein Bild zu machen, hat das Gericht den Prozess direkt an den Zaun verlegt. In Anzug und mit Aktentasche standen die drei Richter des 20. Zivilsenats unter Leitung von Erfried Schüttpelz also auf dem Worringer Platz, umringt von Klägerin und Beklagtem, deren Anwälten und vielen Zuschauern.

Das Gericht müsse, so Schüttpelz, die Interessen der Urheberin und des Nutzers gegeneinander abwägen. Dafür sei grundlegend, ob es sich um ein reines Kunstwerk oder ein Gebrauchswerk handele. Also liefen sie über den Platz, inspizierten die Lichtbänke, die Bodenleuchten und eine kaputte Glasscheibe, vorbei am Pissoir und an einer Gruppe Abhängiger, von denen sich gerade einer eine Crackpfeife anzündete. „Gibt’s hier was umsonst?“, fragt eine Frau, die an der Menschentraube vorbei torkelt, ein Mann weiß offenbar, worum es geht, und ruft: „Einfach durchknipsen den Zaun“.

Obwohl das Oberlandesgericht über eine mögliche Urheberrechtsverletzung entscheidet, bedeutet der Zaun längst viel mehr – er ist zum Politikum geworden. Die eigentliche Frage ist: Wohin mit den suchtkranken Menschen? Eingezäunt ist beinahe die Hälfte des zweigeteilten Platzes, wie auch einer der Richter feststellte. Streetworker und die benachbarte Drogenhilfe beklagen immer wieder, dass der Raum für die Drogenabhängigen so beengt geworden sei, dass es häufiger zu Auseinandersetzungen komme.

Die Architektin sagt, der Zaun verdränge die Menschen nur von dem Platz, der durch seine Beleuchtung Kriminalität entgegenwirke. Die Stadt habe den Platz aber nicht instand gehalten. Der Gastronom argumentiert, dass er sein Lokal vor Zerstörung schützen wolle. Der Zaun habe geholfen, die Situation dort zu befrieden. Dass dies keine Lösung für die Drogenabhängigen sei, wisse er natürlich.

Das Düsseldorfer Landgericht hatte im vergangenen Jahr nach einer mündlichen Verhandlung die Klage der Architektin zurückgewiesen. Sie sei zwar Miturheberin, stellte das Gericht fest, doch der Platz habe sein Erscheinungsbild schon vor dem Bau des Zauns so stark verändert und entsprach damit schon nicht mehr dem Konzept.

Dem Oberlandesgericht gegenüber betonte Christiane Voigt, dass sie gegen die Pizzeria nichts einzuwenden habe. „Es geht nur um den Zaun“, sagte die Architektin. „Der Rest kann so bleiben.“

Gastronom Hassan Akgüvercin erzählte, er habe der Stadt vor drei Wochen angeboten, sein Geschäft an einen ganz anderen Ort zu verlegen, weg vom Worringer Platz. Er verrät nicht wo, doch es sei städtisches Gelände. Auf eine Antwort der Stadtverwaltung warte er noch.

Nun werden mindestens sechs Wochen vergehen, in denen die Parteien weitere Fotos und Unterlagen einreichen und dazu Stellung nehmen können. Dann folgt eine weitere mündliche Verhandlung, diesmal im Sitzungssaal.