Behandlung von Demenzpatienten Wie eine Demenz entdeckt wird

Düsseldorf · Demenzerkrankungen sind weit verbreitet und machen vielen Menschen Angst. In einer spezialisierten Ambulanz mit Tagesklinik werden Verdachtsfälle untersucht – und Patienten und ihre Familien therapiert und beraten. Ein Besuch.

Sandra Verhülsdonk und ein Klient bei einem neuropsychologischen Test – ein Bild muss nachgezeichnet werden.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Stellen Sie sich vor, Sie haben ein leeres Blatt Papier vor sich. Auf das Blatt zeichnen Sie das runde Ziffernblatt einer Uhr und die Zeit: 11.10 Uhr. Gelingt das nicht, ist es Zeit für einen Termin in der Gedächtnisambulanz. An der von der LVR-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und der Uniklinik gemeinsam betriebenen Einrichtung werden Menschen untersucht, bei denen der Verdacht auf eine Demenzerkrankung besteht, also auf eine anhaltende und fortschreitende Beeinträchtigung von Gedächtnis, Denken und anderen Leistungen des Gehirns. Die Ursache kann unterschiedlich sein, zudem gibt es verschiedene Formen der Demenz, die wohl bekannteste ist die Alzheimer-Erkrankung.

In der Gedächtnissprechstunde geht es um Frühdiagnostik. Dafür sind neben verschiedenen neuropsychologischen Tests zur Einschätzung der kognitiven Fähigkeiten etwa eine Selbsteinschätzung vonnöten, eine körperliche Untersuchung und ein Bericht von außen, zum Beispiel vom Ehepartner oder einem Freund. Dafür arbeitet in dem unauffälligen Gebäude auf dem Gelände der Heine-Uni ein multiprofessionelles Team, wie es der ärztliche Direktor der LVR-Klinik, Tillmann Supprian, sagt. Vier Fachärzte und Fachärztinnen, darunter die Leiterin der Ambulanz, Barbara Höft, die Gerontologin Sandra Verhülsdonk sowie Gesundheits- und Krankenpfleger und medizinische Fachangestellte. Dazu kommt eine Kooperation mit dem Sozialdienst, der den Patienten und ihren Familien nach der Diagnose hilft.

Seit 22 Jahren gibt es die Gedächtnissprechstunde bereits, seit 2014 ist die Ambulanz an der Moorenstraße untergebracht. „Demenz als Krankheitsbild wurde lange nicht richtig ernstgenommen“, sagt Barbara Höft. Erst in den vergangenen 20 Jahren hätten sich hohe Standards für die Diagnostik etabliert. In der Ambulanz wird diese in drei Schritten vorgenommen. Beim ersten Termin findet das Anamnesegespräch statt, zudem sind alle möglicherweise relevanten Vorbefunde mitzubringen. Eine Überweisung an die Ambulanz kann etwa vom Hausarzt kommen, das Team betreut aber zum Beispiel auch einige Düsseldorfer Altenheime.

Beim zweiten Termin stehen die neuropsychologischen Untersuchungen an. Durchgeführt werden diese von Sandra Verhülsdonk, etwa eine Stunde dauern sie. Dazu gehört zum Beispiel ein Test, bei dem sich der Patient für drei Minuten eine Zeichnung anschaut und diese dann aus dem Gedächtnis reproduzieren soll. Nach weiteren zehn Minuten soll er sie nochmals aufmalen. „So kann man gut erkennen, ob und wie viel sofort oder verzögert verloren geht“, sagt Verhülsdonk. Dabei gehe es um Details, aber auch um die räumliche Anordnung.

Zu den bekanntesten Frühtests auf eine Demenzerkrankung gehört der Uhrentest – hier ein Beispiel aus der Ambulanz.

Foto: Sandra Verhülsdonk

Manchmal wird auch das Nervenwasser untersucht

Neben diesen sogenannten visuokonstruktiven Tests gibt es weitere Verfahren, zum Beispiel für die verbale Gedächtnisleistung. Mit Hilfe von Wortlisten wird das Erinnerungsvermögen an Wörter und Hinweisreize untersucht, am Computer finden zudem Aufmerksamkeitsprüfungen statt. All das ist relevant, um den individuellen Fall einschätzen zu können, sagt Verhülsdonk. Ein wichtiger Faktor für viele sei die Fahrtauglichkeit. „Und dabei kommt es darauf an, wie gut die Menschen noch auf visuelle und auditive Reize reagieren können.“

Nach diesem Termin trifft sich das gesamte Team und bespricht den Fall. Manchmal sind dann weitere Untersuchungen nötig, zum Beispiel eine des Nervenwassers. Diese ist allerdings aufwendig und wird deshalb trotz großer Genauigkeit bei der Demenz-Diagnostik nur in speziellen Fällen eingesetzt. Als letzter Schritt steht dann das Diagnosegespräch mit dem Patienten und einer Begleitperson an. Dabei muss das Team auch Fingerspitzengefühl zeigen. „Die Angst vor Alzheimer ist bei allen, die hierherkommen, sehr groß“, sagt Tilman Supprian. „Schließlich geht es um eine perspektivisch massive Einschränkung der Alltagskompetenz.“ Rund 120 Menschen kommen pro Quartal das erste Mal in die Ambulanz. Etwa zehn von ihnen sind unter 60 Jahre alt, schätzt Barbara Höft. Die Nachfrage ist groß, derzeit beträgt die Wartezeit bis zum ersten Termin zwischen drei und vier Monaten. Zwischen 60 und 70 Prozent der Demenzpatienten haben die Alzheimer-Erkrankung, die zum Beispiel mit Orientierungs- und Kurzzeitgedächtnisstörungen und Aufmerksamkeitseinbußen einhergeht. „Zu Beginn verändert sich oft die Sprache“, sagt Höft. „Auch differenzierte Begriffe fallen den Menschen nicht mehr ein.“ Das führe zu Angst und Unsicherheit, bei nicht wenigen sogar zu Depressionen.

Um auch das auffangen zu können, endet die Arbeit der Gedächtnisambulanz nicht mit Erstellen der Diagnose. Vielmehr erarbeitet das Team in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt eine Therapieempfehlung, beteiligt sich an Forschungsprojekten, behandelt in der hauseigenen Tagesklinik und bietet auch eine umfassende Beratung an. „Bei einer frühzeitigen Diagnose liegen etwa sieben bis zwölf Jahre im Umgang mit der Erkrankung vor dem Betroffenen und seinem Umfeld“, sagt Barbara Höft, „das ist eine große Aufgabe und dabei helfen wir.“ Je früher die Maßnahmen ansetzten, desto besser stünden zudem die Chancen, dass die Patienten und ihre Familien mit der Diagnose zurechtkommen. Demenz sei nicht heilbar, aber die kognitive Leistungsstörung sei behandelbar – das sei für die Perspektive der Patienten enorm wichtig. „Viele haben Angst vor Alzheimer“, sagt Supprian, „aber es ist schlimmer, sich nicht untersuchen zu lassen.“