Zwei Jahre Krieg in der Ukraine Geflüchtete Familie mit elf Pflegekindern findet Zuhause in Düsseldorf
Düsseldorf · 2022 sind viele Menschen aus der Ukraine geflüchtet. Darunter auch eine Familie mit vielen Pflegekindern, die in Düsseldorf ein neues Heim gefunden hat. Ein Besuch.
Als Andrey und Julia Sychev mit ihren elf Pflegekindern aus Nikopol Anfang März 2022 aufbrachen, hatten sie kaum etwas bei sich. „Es war kein Platz für Rucksäcke oder gar Koffer“, sagt Julia heute. In knapp 80 Kilometer Entfernung hatten russische Truppen gerade Saporischschja eingenommen, die ukrainische Stadt mit dem größten Atomkraftwerk Europas. „Uns war klar, dass wir die Kinder in Sicherheit bringen mussten.“
Nach vielen Stunden Fahrt kam die Großfamilie schließlich in Düsseldorf am Infopoint am Hauptbahnhof an. Mit den vielen Kindern war es nicht einfach, eine Unterkunft zu finden, letztendlich wurde die Familie sogar aufgeteilt: Andrey kam mit den Jungs auf eine Etage, Julia mit den Mädchen in eine andere. „Das Familienleben war so natürlich nur schwer möglich, aber wir waren sehr dankbar für die viele Unterstützung“, erzählt Julia. Dennoch: Erst im Juli kam finanzielle Unterstützung, davor bekamen sie Leihgaben von der Unterkunft, fünf Euro pro Kind pro Tag. „Das mussten wir dann wieder zurückzahlen.“
Bereits im April lernte die Familie Inna Schlich kennen, die kurz nach Kriegsbeginn in Düsseldorf den Verein Dobrosvit gegründet hat. Die Aufgabe des Vereins liegt darin, geflüchtete Waisenkinder und Waisen in der Ukraine zu unterstützen – nicht nur materiell, sondern auch mit regelmäßigen Treffen, bei denen die Kinder kreativ werden können, Deutsch lernen oder sich mit anderen austauschen. „Es war ein großes Glück, gemeinsam mit Inna die vielen bürokratischen Hürden zu meistern.“ Die Dankbarkeit und Verbundenheit zwischen Schlich und den Sychevs ist deutlich spürbar.
Denn durch die Unterstützung konnte die Großfamilie schließlich auch ein eigenes Haus zur Miete finden. „Mit so vielen Kindern ist es sehr schwer, überhaupt etwas zu finden.“ Seit Dezember 2022 sind sie jetzt dort zu Hause. An den Wänden hängen etliche Bilder, die die Kinder selbst gemalt haben und in den Schubladen liegen noch einige mehr, die stolz gezeigt werden. Manche davon thematisieren auch den Krieg und die Hoffnung auf Frieden. Während des Gesprächs übt die zwölfjährige Mila im ersten Stock Klavier.
„Viele der Möbel haben wir von den Nachbarn bekommen, die uns sehr gut aufgenommen haben. Überhaupt erfahren wir sehr viel Hilfe von vielen Menschen“, erzählt Julia. Vielleicht ist das Karma: Daheim in Nikopol hat sie mit ihrem Mann Andrey in den vergangenen 23 Jahren nicht nur mehr als 20 Kinder großgezogen, sie hat auch Geflüchtete aufgenommen und Sommercamps organisiert. „Jetzt sind wir diejenigen, die Hilfe brauchen.“
Ob es für sie zurückgeht in die Ukraine ist noch ungewiss. „Nikopol liegt weiterhin an der Front und wird entsprechend immer wieder beschossen.“ Aktuell lernen Andrey und Julia in Integrationskursen Deutsch, damit sie bald auch arbeiten können. „Dabei ist die Betreuung der Kinder schon ein Vollzeitjob.“
Die Kinder gehen bereits seit kurz nach ihrer Ankunft in deutsche Schulen und finden auch dort viel Hilfe. „Bei der Montessori-Schule ist die Betreuung sehr gut“, erklärt Andrey. Daneben gibt es vielfältige Hobbies, von Sport über Singen und Tanzen hin zu anderen kreativen Tätigkeiten. Sie fühlen sich wohl hier. „Eine gute Bildung ist für die Kinder besonders wichtig, deshalb hoffen wir, hier bleiben zu können.“