Alternative Bildung Was aus ehemaligen Waldorfschülern geworden ist
Düsseldorf. · Seit 40 Jahren bietet die Rudolf-Steiner-Schule/Waldorfschule eine alternative Bildung. Ehemalige erzählen, welchen Einfluss das auf ihren Beruf hatte.
Der Unterschied zu regulären Schulen ist groß, statt Noten gibt es Entwicklungsberichte für jedes Kind. Musische und praktisch orientiere Fächer wie Theater oder Gartenbau spielen eine große Rolle. Allerdings sind Abschlüsse bis zum Abitur an der Düsseldorfer Einrichtung möglich. Das Konzept prägt, wie vier Ehemalige berichten. Manchmal nur ein wenig, manchmal war es die Rettung.
Joachim Westphal, Grafikdesigner
Ob Regel- oder Waldorfschule – Grafikdesigner wäre er heute auf jeden Fall, meint Joachim Westphal. Architektur, Formen, Farben, das hat ihn schon von Kind an interessiert und am Gelände der Schule in Düsseldorf besonders fasziniert. Der musische Schwerpunkt, viel Zeit für Malen und Gestalten, fürs Experimentieren – für seine spätere Berufswahl war das optimal. „Ohne Leistungsdruck traut man sich mehr, probiert was aus. Das hilft, kreativ zu werden.“ Für ihn sei das unerlässlich – der 47-Jährige erarbeitet das Corporate Design für verschiedene Marken, ist zuständig für Logo, Werbeauftritt und ähnliches. Aber auch mit dem Druck, den sein Beruf immer wieder mit sich bringt, kommt er gut klar, wie er sagt. Denn in der letzten Klasse war plötzlich alles anders. Leistungsdruck Tag und Nacht, gute Noten erreichen, um am Ende das Abitur zu haben. „Da lernt man, viel auszuhalten – ist aber auch reif und selbstbewusst genug dafür.“
Matthias Klosse, Alltagshelfer
Für Matthias Klosse kam das Abi genau aus diesem Grund nicht infrage. Er ist heute als Alltagshelfer angestellt, kümmert sich um Menschen mit Demenz oder Parkinson, macht mit ihnen Gymnastik, bringt sie an die frische Luft. „An einer staatlichen wäre ich untergegangen.“ Klosse hatte als Kind heftige Wutanfälle, von jetzt auf gleich. Eine Ursache sei nie gefunden worden. „Hier war ich nicht als Problemfall abgestempelt. Die Lehrer haben mich als Mensch gesehen, an mich geglaubt“, sagt er. Irgendwann in der 8. und 9. Klasse verschwanden dann die Wutanfälle. „Heute bringt mich nichts mehr aus der Ruhe.“
Gretel Droese, Physiotherapeutin
Auch Gretel Droese hat die Jahre genossen – Regelschule verbindet sie mit schlechten Erfahrungen: Die 5. Klasse erlebte sie auf einer Gesamtschule. Masssenhaft Schüler, Fenster, die stets geschlossen bleiben mussten, eine unmusikalische Lehrerin – da kam einiges zusammen. Ein Wechsel war nötig. Das musische Konzept in Düsseldorf gefiel ihr sofort: Singen, Tanzen, Theaterspielen - sie fühlte sich wieder wie unter ihresgleichen. Nach der mittleren Reife ging sie ab, wurde zunächst Erzieherin. Doch dann wollte sie es nochmal wissen, machte das Abi nach und startete eine neue Ausbildung, die schon lange ihr Traum war: Physiotherapeutin. Welche Schule sie mal besucht hat, danach fragt heute keiner mehr.
Nathalie Khan, Kulturwissenschaftlerin
Dass Waldorf nicht gleich Walddorf ist, wird bei Nathalie Khan deutlich. Sie wechselte von einer Einrichtung in Krefeld nach Düsseldorf, weil sie ihr Abitur machen wollte. „Düsseldorf war nicht so ideologisch, sondern moderner, demokratischer, offener – und dort war das Abi möglich“, sagt sie. Die letzten drei Schuljahre erlebte sie hier, studierte dann in England Theater- und Kulturwissenschaft, arbeitete in der Modebranche. Heute unterrichtet sie selbst Studenten an einer englischen Uni. Auch sie glaubt, dass die Waldorfschule ihre Laufbahn beeinflusst hat, nicht nur bei den Fächern: „Das Theaterspielen von damals hilft – vor Studenten ist es manchmal auch wie auf der Bühne.“