Düsseldorf Wie sieht der letzte Platz im Leben aus?
Düsseldorf · Auf dem Corneliusplatz wurden 32 „letzte Stühle“ ausgestellt. Die Kunstaktion weckte Aufmerksamkeit für die hospizliche Arbeit.
Ein rot-weiß bemalter Stuhl auf dem Corneliusplatz zog so einige Neugierige an. War das ein Fortuna-Stuhl? Oder ging es um Karneval, weil eine Narrenkappe und Luftschlangen über der Lehne hingen? Weit gefehlt.
Das Thema war ernst. Der Stuhl war, gemeinsam mit 32 weiteren, Teil einer Kunstaktion, die am Samstag mehr Aufmerksamkeit für die hospizliche Arbeit in Düsseldorf wecken wollte. Eigens für die Aktion „Ein letzter Platz im Leben“ gestaltete Stühle wurden zum Welthospiztag in einer Sternfahrt auf den Corneliusplatz gebracht. Palliativmediziner, Ehrenamtliche, Patienten, Schüler und Künstler hatten sich Gedanken darüber gemacht, wie ihr letzter Platz im Leben aussehen sollte und diese Ideen künstlerisch auf Stühle übertragen. Organisiert wurde die Aktion vom Düsseldorfer Hospiz- und Palliativforum (DHPF), das, neben der Aktion, im Haus der Wissenschaft auch über Fragen zum Lebensende informierte und in Kooperation mit dem ASG-Bildungsforum „Letzte-Hilfe“-Kurse anbot.
„Viele Menschen trauen sich an die Themen Sterben und Tod nicht ran“, erzählte Bettina Kutzscher, leitende Koordinatorin des Hospizvereins Düsseldorf Nord. Daher sei es wichtig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und ihnen zu zeigen, wie gut das DHPF in der Stadt aufgestellt sei. Die Stuhl-Aktion biete einen leichteren Zugang zum Thema. Jeder könne sich überlegen, wie sein letzter Platz im Leben einmal aussehen solle. Und dass diese Gedanken nicht von Trauer bestimmt sein müssen, bewiesen viele der Stühle.
Stuhl-Aktion für einen leichteren Zugang zum Thema Lebensende
Die rot-weiße Sitzgelegenheit wurde beispielsweise von Marco Schmitz, Präsident der Gerresheimer Bürgerwehr gestaltet. Auf der Sitzfläche befanden sich fünf Knöpfe, die Lieder zu verschieden Stimmungen abspielten. Sein Wunsch war es, dass die Musik ihn bis ans Ende seines Lebens begleiten würde.
Auch die Mitarbeiter des Hospiz im EVK gaben ihrem Schaukelstuhl viel Positives mit. „Unser Motto ist: Bewegtes Leben“, erklärte Anke Terstegen. „Die körperliche Bewegung lässt am Ende nach. Dafür kommt Bewegung in die Gedanken und auch in emotionale Bereiche. Unser Ziel ist es, die Menschen in diesen Bewegungen zu unterstützen, ihnen ein schönes Umfeld zu schaffen, sie zu tragen und zu halten“, ergänzte sie. Sekt und Salzstangen auf dem Stuhl sollten ein Symbol dafür sein, das Leben trotz allem weiter zu feiern. Für Krankenschwester Anke Schulz gab es keinen letzten Platz, daher symbolisiert ihr Stuhl den Verlauf des Lebens und auch den einer Krankheit. „Das Projekt hat mir viel bedeutet und war auch wie eine Therapie für mich“, sagte sie.
Während einige Stuhl-Künstler sich beruflich mit dem Thema Tod beschäftigten, waren andere persönlich davon betroffen, weil sie eine lebensbedrohliche Diagnose erhalten hatten, so wie Marcel Courage. Der 27-Jährige ist an Morbus Crohn erkrankt. Eine Corona-Infektion hatte starke Auswirkungen auf seine Krankheit und brachte ihn für lange Zeit ins Krankenhaus. „Die Langzeitfolgen sind immer noch spürbar. In so einer Situation beginnt man Fragen zu stellen. Wie ist es mit einem eigenständigen Leben? Werde ich Hilfe brauchen und von wem kann sie kommen? Alleine kann man das nicht stemmen“, erzählte der Klient der Kaiserswerther Diakonie. Daher standen auf seinem Stuhl die Namen von Menschen, die ihm geholfen hatten. Und auch einige Fotos waren zu sehen. „An meinem letzten Platz möchte ich freundliche und bekannte Gesichter um mich haben“, so Courage.
Auch die Gratwanderer, eine Selbsthilfegruppe des Hospizvereins Düsseldorf Nord, hatte einen Stuhl gestaltet. „Unsere Situation ist so, dass wir zwar lebendig sind, in der Warteschlange auf den Tod stehen wir aber recht weit vorne. Die Pflaster stehen für unsere Verletzungen, Taschentücher für Trost, Decken für eine warme Ummantelung“, erklärte Sabine Deiss. Die Aktion war für sie wichtig. „Viele wissen nicht, was palliativ bedeutet. Es ist kein sofortiges Todesurteil. Mit den Möglichkeiten der heutigen Medizin, kann es noch lange weitergehen. Es ist aber wichtig, dass man weiß, an wen man sich wenden kann, wenn es einen betrifft“, sagte sie.