Düsseldorf Düsseldorfer setzen auf Selbstschutz
Pfefferspray ist seit Silvester vielfach ausverkauft, Kurse zur Selbstverteidigung sind voll. Die Polizei sieht das mit gemischten Gefühlen.
Düsseldorf. Nach Hunderten von Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln und Hamburg sowie rund 50 Anzeigen wegen sexueller Nötigung in Düsseldorf leiten immer mehr Frauen Schritte ein, um sich im Notfall selbst verteidigen zu können. Viele kaufen Pfefferspray oder buchen Selbstverteidigungskurse — falls sie noch einen Platz bekommen.
„Ausverkauft“, heißt es beim Outdoor-Shop McTrek an der Jacobistraße auf die Frage nach Pfefferspray, das eigentlich nur zur Tierabwehr zugelassen ist. Das Gleiche gilt bei Sack und Pack an der Brunnenstraße, nur wenige Dosen des weniger wirksamen CS-Gas, also Tränengas, sind noch da.
„Wir haben vergangene Woche rund 30 Dosen verkauft. Und aufgrund der hohen Nachfrage kann der Lieferant im Moment keinen Nachschub liefern“, sagt Mitarbeiter Marc Leger. Im Programm hat das Geschäft die Produkte eigentlich, damit sich Reisende gegen wilde Tiere oder in manchen Ländern auch gegen Kriminelle verteidigen können.
Noch Vorräte gibt es im Nato-Shop an der Bilker Allee, wo der Verkauf durch die Decke geht. „Den ganzen Tag über kommen Kunden, die Pfefferspray zur Selbstverteidigung kaufen. Vor allem Frauen — in jeder Altersgruppe“, sagt eine Mitarbeiterin. Eine Kundin war am Dienstag die 88-jährige Margot Bitter, die ihren Mann Albert zum Kauf in den Laden schickte. „Es ist das erste Mal, dass ich mir so etwas zulege“, sagt sie. Sie fühle sich so sicherer, könne sich im Notfall wehren. „Nach den aktuellen Ereignissen fühle ich mich nicht mehr wohl, wenn ich im Dunkeln allein auf die Straße gehe.“
Mit der aktuellen Aufrüstung in der Düsseldorfer Bevölkerung verschärft sich ein Trend, der seit einigen Jahren anhält. Mehr und mehr „Kleine Waffenscheine“ für Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen stellt die Polizei aus. Die Gesamtzahl stieg von 1331 im Jahr 2012 auf 1407 und von 1445 im Jahr 2014 auf aktuell 1579. Diesen Schein bekommt nahezu jeder, der über 18 Jahre alt ist und keiner verbotenen Organisation angehört.
Bei der Polizei sorgt diese Entwicklung für Besorgnis, wie Sprecherin Susanna Heusgen sagt. „Ich halte nichts von Pfefferspray und schon gar nicht von leichten Waffen zur Selbstverteidigung.“ Im Ernstfall habe man oft nicht die Chance, noch in die Handtasche zu greifen. Zudem könnten bei der Nutzung — zumal in einer Stresssituation — Fehler passieren, die einem selbst schaden. Schlimmstenfalls könnten die Täter die Waffe sogar gegen das Opfer einsetzen.
Generelle Empfehlungen für eine Notsituation gibt sie nicht. „Da gibt es kein Patentrezept.“ Was helfen könne, sei jedoch, nicht nur um Hilfe zu schreien, sondern Menschen gezielt anzusprechen und zur Hilfe zu rufen. Zur Täterermittlung sei es zudem wichtig, sich möglichst viel einzuprägen und der Polizei schnell frische Eindrücke zu schildern.
Statt einer Bewaffnung empfiehlt sie Selbstverteidigungskurse für Frauen, wo einfache Kampf- und Verhaltenstechniken trainiert werden. Doch zurzeit ist es schwierig, einen Platz zu bekommen. „Wir hatten hier 50 Anrufe in einer Woche, sonst sind es zehn im Monat“, heißt es beim Polizei-Sport-Verein Düsseldorf. Der Januar-Kurs war zwar bereits vor Jahreswende voll, jetzt ist schon das Angebot für April ausgebucht und selbst für Oktober gibt es nur noch wenige Plätze. Auch das aktuelle VHS-Angebot ist ausgebucht. „Bei uns ist der Kurs seit längerer Zeit sehr nachgefragt. Wir überlegen, ob wir das Angebot ausbauen“, sagt Sportbereichsleiter Christopher Gallo.