Ein Tänzchen vor Kubas wohl berühmtester Bar
Die Show The Bar at Buena Vista ließ mit den „Grandfathers of Cuban Music“ in der Tonhalle den Geist des legendären Social Club wieder aufleben.
Schwüle, zigarrenrauchgeschwängerte Luft, unbeschreiblich charaktervolle Typen, Musik, die sich auf schnellstem Wege ihre Bahn in die tiefsten Regionen sehnsuchtserfüllter Seelen bahnt und natürlich Rum, bis der Morgen anbricht — müssen Sie bei diesen Attributen nicht auch sofort an den legendären Buena Vista Social Club denken?
Tourt die, aus dem gleichnamigen unter Federführung Ry Cooders 1996 erschienenen Album erwachsene, zu Weltruhm gelangte, Formation zwar seit 2015 nicht mehr live durch die Herzen der Freunde der kubanischen „Son“-Musik, so gibt es aber dennoch Ersatz. Zahlreiche Revival-Shows, die sich den Namen des Stadtteils, in dem sich seinerzeit der berühmte „Social Club“ in Havanna befand, zur Nutze machen, um an den Erfolg des auch durch Wim Wenders Film so populär gewordenen Projektes anzuknüpfen, beschwören das Flair, den Geist jener Ära. Dies mal mehr oder weniger authentisch.
Leben Compay Segundo oder auch Ibrahim Ferrer zwar nicht mehr und ist der „Social Club“ schon lange Geschichte, so gelingt es dennoch Altmeister, vornehmlich indes aus der zweiten Reihe, aber auch jüngere Talente auf die Bühne zu bringen; mit ihnen und durch sie die kubanische Musik, Tanz, vor allem aber das alles würzende Lebensgefühl, das aus der „guten alten Zeit“ herüberstrahlt - wenn es das überhaupt so gegeben haben sollte. Das mit Edelrost überzogene Bild dieser Kultur ist oft mehr eine Projektion. Die unter der Regie von Toby Gough sämtliche Register kubanischer Klischees ziehende Show-Tour „The Bar at Buena Vista“ ist aber trotz der gekonnt gestalteten Stimmung letztlich auch nicht mehr als nur eine aufgehübschte Kopie des Originals.
Verwandelte man zwar die Bühne der Tonhalle mithilfe einer Bar, Licht und Requisiten in eine etwas allzu stereotype Kulisse — man scheint auf die Wirkungskraft der Musik und dem Charisma der Protagonisten allein dann doch nicht zu vertrauen —, so macht die eigentliche Faszination dieser Show die Authentizität der in ihr agierenden Künstler aus. Diese ist selbst hinter der polierten Fassade der glanzvollen Show immer deutlich zu spüren.
Weilt der ursprüngliche Moderator der Show, Arturo Lucas — der Original-Barkeeper des Buena Vista Social Clubs —, auch nicht mehr unter uns, so wartete man dennoch mit einem Grandseigneur von Format auf. So etwa der noch beeindruckend rüstige Sänger Ignacio „Mazacote“ Carrillo — Jahrgang 1924! —, der, sich zwischen seinen Nummern auf einem Schaukelstuhl die eine oder andere Zigarette gönnend, das Geschehen auf der Bühne aufmerksam beobachtete. „Und wie schlagen sich die jungen Kollegen?“, mochte er sich hin und wieder gedacht haben. Aber auch der 1939 geborene Tänzer Luis Chacón Mendive — der den Spitznamen Aspirina trägt — bewies, dass kubanische Lebensart offenbar jung hält. Gesanglich auftrumpfen konnten zudem Rene Pérez Azcuy, die „letzte echte kubanische Diva“ (was natürlich nicht ganz stimmt) Siomara Airlia Valdés Lescay, die, eine mitreißende Show abliefernd, sogar einen Herrn aus dem Publikum zum Tanz aufforderte, und Jose Alejandro Bolaños Herrera, der zugleich auch den Barmann gab. Der Meister an der Güiro (Ratschgurke) Enrique Lazaga Varona begeisterte nicht nur mit einem fulminanten Solo, sondern unterstützte auch die Band, bei der der Trompeter Elpidio Chappottín Delgado besonders hervorzuheben ist.
Die Musiker — vielleicht doch die heimlichen Stars des Abends — lieferten eine stimmige Begleitung für Tanz (Choreographien und erster Tänzer Eric Turro Martinez) und Gesang, konnten darüber hinaus auch mit einer Jam-Session auftrumpfen, die die Herzen der Jazzfreunde im Publikum höherschlagen ließ. Hier war man wirklich bei sich!
Fehlten zwar die Mega-Hits wie „Chan Chan“ — als Zugabe wählte man einen Song, der sich in musikalischer Diktion sehr nah an Compay Segundos Original orientiert —, so ließ die Show bei dem Publikum offensichtlich keine Wünsche offen. Standing Ovations und große Begeisterung waren der Lohn für den abwechslungsreich gestalteten Abend, der zudem durch Tänzerinnen und Tänzer zu einem immer belebten Gesamtbild stilisiert wurde.