Eine Turbine heizt die gesamte Stadt

Siemens baut in Berlin das wichtigste Teil des euen Gas- und Dampfkraftwerkes der Stadtwerke am Hafen.

Foto: Siemens

Düsseldorf. In einer 105 Jahre alten Fabrikhalle in Berlin-Moabit bauen Siemens-Ingenieure und Techniker gerade die stärkste und modernste Gasturbine der Welt. Im Mai wird das 13,20 Meter lange und knapp 500 Tonnen schwere Teil im Berliner Westhafen auf ein Schiff gehievt und nach Düsseldorf transportiert — zur Lausward im Hafen. Dort ist die Turbine Herzstück des neuen Gas- und Dampfturbinenkraftwerks, das Siemens für die Stadtwerke errichtet, Kostenpunkt: 500 Millionen Euro.

Die H-Klasse unter den Turbinen hat gewaltige Kenndaten zu bieten, wie ein paar von Siemens angestellte populäre Vergleiche zeigen: Danach bringt die SGT5-8000H die gleiche Leistung wie 1200 Porsche 911 Turbo, sie wiegt so viel wie ein vollgetankter Airbus 380 — und vor allem liefert sie genügend Energie um eine Stadt mit rund 2,2 Millionen Einwohnern zu versorgen. Und dann der Umwelttrumpf: Im Vergleich zu anderen Gas- und Dampfturbinenkraftwerken (GuD-Anlagen) verringert sich durch diese Turbine der jährliche CO2-Ausstoß um etwa 43 000 Tonnen. Und das wiederum entspricht immerhin dem jährlichen Schadstoffausstoß von 10 000 Mittelklasseautos mit einer Fahrleistung von 20 000 Kilometern.

Sozusagen der Kreuz-Bube ist der äußerst hohe Gesamtwirkungsgrad des Brennstoffes Erdgas von 85 Prozent — das ist aktuell eine Weltbestmarke. Das Kraftwerk an sich schafft 61 Prozent, hinzu kommt die Abwärme der Anlage, die in 300 Megawatt Fernwärme umgewandelt wird.

Beim Besuch in der Berliner Fabrik wird schnell klar, welch unterschiedliche Teile der Turbine verantwortlich für die weltmeisterlichen Leistungen sind: die Schaufeln zum Beispiel. „Etwa 100 000 im Jahr werden hier produziert, für neue Exemplare oder als Ersatzteile“, sagt Wolfgang Konrad, der Leiter des weltweiten Gasturbinengeschäftes bei Siemens. Ein paar hundert Schaufeln hat die H-Klasse, manche kosten laut Konrad keine 500 Euro, manche so viel wie ein Kleinwagen. Die freilich sind auch extremsten Belastungen ausgesetzt. Zum Beispiel die sogenannte Leitschaufel ganz vorne, die eine Gastemperatur von 1500 Grad Celsius aushalten muss (zum Vergleich: der Schmelzpunkt von Eisen liegt nur etwas darüber). Zudem wirken zum Teil fliehkräfte auf Schaufeln die dem 10 000fachen des Eigengewichtes entsprechen.

Drei der H-Klasse-Gasturbinen von Siemens sind weltweit bereits in Betrieb, in Florida, Süd-Korea und eine im deutschen Irsching, ein Dutzend weiterer ist verkauft und bereits im Bau, vor allem in Fernost. Düsseldorf ist für Siemens aber durchaus ein Referenzprojekt, sagt Konrad: „Weil es durch die Auskoppelung der Fernwärme besonders effizient ist und wegen seiner exponierten Lage in Sichtweite des Landtages.“

Seit September wird das Kraftwerk auf der Lausward errichtet, im April soll Richtfest sein, im Mai kommt die Gas-, im Sommer dann die Dampfturbine, die Siemens in Mülheim an der Ruhr fertigt. Die Inbetriebnahme soll 2016 erfolgen.