Analyse Funktionieren die Düsseldorfer Stadtstrände?
Düsseldorf · Das Coronavirus bescherte zuletzt viele neue Gäste, aber auch Kritik ist ein steter Begleiter. Und am 1. Juli folgt der dritte Strand.
An diesem Freitag ist das Bild eher trist. Am Robert-Lehr-Ufer flattern die Wimpel an den Leinen regengetränkt im Wind, der breite Rasenstreifen darunter ist leer, die Trucks sind menschenlos und zum Stillstand verurteilt. Das Konzept Stadtstrand funktioniert bei gutem Wetter, bei schlechtem lässt es es jedem Betriebswirt die Haare ergrauen. Andreas Knapp hadert trotzdem nicht lange. „An einem Tag wie heute bleiben sie zu oder sind in Notbesetzung offen“, sagt der Betreiber der Stadtstrände in Düsseldorf am Autotelefon, während der Regen auf sein Autodach prasselt. „Das ist das Konzept Stadtstrand – wir leben vom Wetter. Und damit leben wir.“
400 000 Euro Verlust
drohte wegen Corona
Tatsächlich lebten die Düsseldorfer Stadtstrände am Mannesmann-Ufer und am Robert-Lehr-Ufer, die seit einigen Wochen wieder geöffnet sind, zuletzt auch vom Coronavirus. Klingt widersprüchlich, weil das Virus zuerst den Shutdown und dann jede Menge Einnahmeausfälle verursachte, die Knapp bereits mit etwa 400 000 Euro berechnet hatte. Aber: Seit der Lockerung profitieren in der Gastronomie-Szene vor allem die Stadtstrände: draußen sein, genug Platz haben, Getränke aus Flaschen oder auch das Einweggeschirr, das erst gerade wieder vom Mehrweg und einem neuen Spülmaschinen-System abgelöst wurde, das ist etwas, was die Menschen in diesen Wochen schätzen.
Das macht sich bezahlt: Etwa 200 000 Euro der geplanten Verluste könne man aus den jüngeren Wochen heraus kompensieren, sagt Knapp, der Architekt der Stadtstrände, dessen Geschäftspartner Matthias Böttger die Gastro-Expertise mitbringt. Gemeinsam haben sie im vergangenen Jahr die beiden Strände in der Stadtstrände GmbH eröffnet. Nach viel Gezeter und Zeitverzögerung aus Politik und Ordnungsamt blieben ihnen drei Monate: Juli, August, September. Im Oktober kam der Regen. Nicht viel Zeit, Orte ohne Sand und Meer, dafür mit Rasen und Rheinnähe zu etablieren – und die Investitionen zu amortisieren.
40 000 Gäste stehen 2019 in der Statistik. In diesem Jahr sollen es drei Mal so viele werden. Mindestens. „Es spricht sich herum, die Gäste sind zufrieden und glücklich“, sagt Knapp und wirbt für sein Konzept der alternativen Orte von Ruhe und Gelassenheit. „Chillen in der Stadt“. Das Konzept hat 2019 die Ausschreibung gegen Sand-Anhäufer und Ibiza-Musik-Liebhaber als Sieger beendet. Trotzdem wird es immer wieder angefeindet. Knapp nervt das. „Zuletzt ist es endlich ruhiger geworden. Ich verstehe auch nicht, dass man daran ständig rumnörgelt, wenn es den Menschen der Stadt doch gefällt“, sagt er. „Ich versuche, mit allen Kritikern Gespräche zu führen. Manche wollen aber gar nicht reden, um die Strände im Wahlkampf zum Thema machen zu können“, sagt er.
Vor allem das eher karge Basis-Erscheinungsbild stößt manchem auf. CDU-Ratsherr Stefan Wiedon ärgert vor allem der Stadtstrand am Robert-Lehr-Ufer. Der sei „alles andere als eine Attraktion“, findet er. „Man blickt auf ein eingezäuntes Gelände, der Rasen sieht schon aus wie Sand und die grausigen Lampions versprühen den Charme eines Campingplatzes im Westerwald“. Rumms.
Der Vertrag läuft
auf insgesamt fünf Jahre
Knapp sieht das anders. Natürlich. Düsseldorf müsse mehr sein als „Schickimicki“ und Champagner auf der Kö, sagt er. „Städte wie Kopenhagen machen es uns vor. Hier in der Stadt denkt man immer in seinen Traditionen. Die Bevölkerung will aber mehr Vielfalt und Coolness. Und sie nimmt es an.“ Fast eine Million Euro haben die Betreiber in die Stadtstrände gesteckt. Jetzt wird zurückverdient. Muss zurückverdient werden. Von den sechs festen Mitarbeitern mussten die Betreiber niemanden in Kurzarbeit schicken. Dazu kommen die Saison-Mitarbeiter, die auch immer noch gesucht werden, wie Knapp sagt. Der Vertrag läuft auf insgesamt fünf Jahre. Hilfszahlungen gab es nicht. „Weil wir noch keine zwei Jahre existieren, haben wir es da schwer“, sagt Knapp.
Am Mannesmann-Ufer ist in Absprache mit der Stadt nachgebessert worden: Die Container wurden reduziert und aus der Blickachse weg nach Norden gerückt, der Lager-Container ist nach unten zu den Toiletten verlagert worden, zudem öffnen die Container auch zur Promenade. Zudem, teilt die Stadt mit, gebe es „andere, ordentlichere Schirme und keine Fähnchen mehr“. Die Betreiber verteilen jetzt Fragebögen an die Gäste, wollen weiter lernen, optimieren. Sicherer werden. Der Stadtstrand am Robert-Lehr-Ufer laufe hingegen problemlos. Und: „Der Gitterzaun zur Absturzsicherung wird noch einmal nachgebessert.“
Im nächsten Monat soll das Filetstück hinzukommen: Wenn am Kit-Café der „Mainstream-Strand“ auch für Touristen steht und am Robert-Lehr-Ufer der „immer beliebter werdende Rückzugsort“, dann gibt es an der Tonhalle in der Mitte der „Dreifaltigkeit“ ab dem 1. Juli einen „Kunst- und Kulturstrand“. Bombastischer. Mit gestapelten Containern. Mit einer Bühne. Mit Aktionskünstlern und „vielen Überraschungen“, auch für Kinder. Erst nach der Rheinkirmes durfte man der Vorgabe nach mit diesem dritten Strand starten. Dann kam Corona und keine Kirmes mehr – trotzdem blieb es beim Termin. Der sei nun fix, sagt Knapp, die Baugenehmigung liegt vor, der Macher ist in Vorfreude. Dann hat Düsseldorf drei Stadtstrände. Drei Orte zwischen Wohlgefallen und Ablehnung. Man nennt es wohl Leben.
Einen vierten, wie ihn der Unternehmer Rainer Wengenroth gerade für den Medienhafen als „Monkey’s Island 2“ erdacht hat, und der laut Aussage der Stadt gerade noch geprüft wird, hält Knapp für unrealistisch. „Das Thema ist ja nicht neu, es bräuchte dort viel zu lange Genehmigungsverfahren, das ist nicht machbar. Sonst hätten wir es ja auch schon gemacht.“