Hospizleiterin: „Niemand weiß, wie Sterben geht“
Susanne Hirsmüller spricht über ihre tägliche Arbeit mit sterbenskranken Menschen.
Frau Hirsmüller, Menschen, die zu Ihnen kommen, wissen, dass sie bald sterben werden. Wie gehen sie damit um?
Susanne Hirsmüller: Es ist eine hohe Hemmschwelle da, niemand weiß, wie sterben geht. Im Kopf sind Hospiz und Sterben verknüpft, nach einiger Zeit hier merken sie erst: „Das Hospiz tut mir gut, die Krankheit ist das Schlechte.“
Wie offen wird im Hospiz über den Tod gesprochen?
Hirsmüller: Bei uns wird niemand angelogen oder etwas verheimlicht. Wir drängen den Patienten das Gespräch übers Sterben aber auch nicht tagtäglich auf. Manchmal wollen die Menschen einfach über das Wetter oder die Fußball-WM reden.
Warum sind Hospize für Sie ein wichtiger Teil der Pflege?
Hirsmüller: Hospize sind sehr kleine, individuelle Einrichtungen. Es gelingt auf den Einzelnen und sein Umfeld einzugehen, das ist sonst in der medizinischen Versorgung kaum zu verwirklichen. Im Krankenhaus kriegen normalerweise alle um halb 8 Frühstück, alle werden um 9 gewaschen. Bei uns gibt es kein „alle“, keinen festen Tagesablauf. Einer schläft lange, einer ist Frühaufsteher, darauf stellen wir uns ein.
Kümmern Sie sich auch um die Angehörigen der Patienten?
Hirsmüller: Ja. Die Angehörige brauchen manchmal mehr Fürsorge als die Patienten, die oft akzeptiert haben, wie es um sie steht. Die Familien sind oft nicht so weit und können mit der Situation nicht umgehen. Wir stehen ihnen dann so gut es geht zur Seite.
Wie gehen die Mitarbeiter mit dem Sterben um sie herum um?
Hirsmüller: Der ständige Wechsel ist eine Herausforderung. Es sterben eben 130 bis 150 Menschen pro Jahr in dieser Einrichtung, manche sind acht Monate hier, andere lernt man kaum kennen. Jeder, der hier arbeitet, denkt früher oder später über das eigene Leben nach.
Sind Hospize in Deutschland mittlerweile etabliert?
Hirsmüller: 20 Jahre sind eine lange Zeit. Heute wissen viele, was ein Hospiz ist, aber viele eben auch nicht. Die Meisten haben düstere Vorstellungen und Angst. Es ist viel Öffentlichkeitsarbeit nötig. Keiner will sich mit dem Tod beschäftigen, Sterben tun immer nur die anderen, das schiebt man weit von sich weg.