Immer mehr Jugendliche trinken sich in die Klinik
116 junge Alkoholleichen kamen 2012 ins Krankenhaus. An den tollen Tagen geht es diese Woche wieder rund. An vielen Schulen wird das thematisiert.
Düsseldorf. Ab Donnerstag geht es in Düsseldorf wieder rund, für sechs Tage übernehmen die Narren das Zepter. Traditionell heißt das auch: hoch die Tassen — nicht nur bei Erwachsenen. Laut Caritas stieg die Zahl der Jugendlichen, die mit einer Alkoholvergiftung stationär im Krankenhaus behandelt werden mussten, von 79 im Jahr 2007 auf 116 im vergangenen Jahr.
Den Trend bestätigt auch Dr. Axel Schink, Oberarzt in der Kinder- und Jugendklinik des Evangelischen Krankenhauses (EVK). Allein dort stieg die Zahl der jungen Alkoholleichen von 38 im Jahr 2010 auf 54 (2011) und im vergangenen Jahr dann schon auf 84 an — darunter 44 Mädchen. „Die Jüngste war 13.“
Im EVK wird ab Altweiber wieder in doppelter Besetzung gearbeitet, für viele Kollegen gilt Urlaubssperre. Zusätzliche Räume werden freigemacht. „Ab Altweiber kommen alkoholisierte Jugendliche zum Teil im 15-Minuten-Takt hier an“, sagt der Arzt.
Er erinnert sich gut an ein 16-jähriges Mädchen, das am vorigen Rosenmontag mit Freundinnen um 7.15 Uhr begonnen hatte, eine Flasche Wodka zu leeren. Um 10.30 Uhr lag sie mit 1,52 Promille bei Axel Schink im Krankenhaus. „Sie war kaum noch ansprechbar.“
Den höchsten Alkoholpegel im EVK erreichte 2012 ein 16-Jähriger mit 2,5 Promille. Wenig mehr und er hätte womöglich nicht mehr selbstständig atmen können. Ein anderer Jugendlicher sei mit nur noch 34,5 Grad Körpertemperatur eingeliefert worden — er hatte weggetreten am Rheinufer gelegen, unmittelbar am Wasser. „Das ist sehr gefährlich.“
Dabei legten die meisten Jugendlichen es offenbar nicht auf gezieltes Komasaufen an. „Sie wollen einfach Spaß haben“, berichtet Schink — und unterschätzen dann wohl die Wirkung des Alkohols. „Am nächsten Tag sind sie sehr reumütig. Zu über 90 Prozent sagen sie, sie wollen es nie wieder tun.“
Die tollen Tage und ihre Feucht-Fröhlichkeit sind auch ein Thema an den Schulen. „Ich werde noch einmal durch die Klassen acht bis zehn gehen und weise auf die Gefahren hin“, sagt Berthold Pütz, Schulleiter der Justus-von-Liebig-Realschule. Um 11.11 Uhr endet der Unterricht dort wie an den meisten Düsseldorfer Schulen an Altweiber. „Das hat auch damit zu tun, dass die Schüler an Brauchtumsveranstaltungen teilnehmen können“, erklärt Pütz. Als Aufforderung zur wilden Party will er die Regelung nicht verstanden wissen.
Auch am Luisen-Gymnasium ist um 11.11 Uhr Schluss. Laut Direktor Wolfgang Mesenholl geht es dabei aber um die Sicherheit der Schüler. „Wir liegen ja direkt neben der Altstadt“, erklärt er. Man habe Sorgen, dass die jüngeren Schüler zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr unbeschadet heimkommen. Das Thema Alkohol werde bei der Drogenaufklärung im Unterricht sowie mit Projekttagen in der siebten Klasse ausführlich behandelt — inklusive eines speziellen Elternabends. Und: „Wir achten peinlich darauf, dass bei uns kein Alkohol konsumiert wird.“
Das ist auch beim Görres-Gymnasium der Fall. Doch an Altweiber wird das nicht nötig sein: Der Unterricht fällt dort aus. Für die Lehrer gibt es einen Fortbildungstag, die Schüler bekommen Aufgaben für Zuhause. „Wir hatten durch unsere Lage an der Kö oft Probleme mit schulfremden Personen. Es gab immer wieder Beschädigungen“, sagt Schulleiterin Christine Leithäuser. „Wir können hier die Sicherheit nicht gewährleisten.“
Schade, finden die Schüler. „Es ist eine Tradition, dass wir schon in der Schule trinken“, erklärt ein 17-Jähriger vor dem Schultor. Viele Schüler hätten sich daher trotzdem an der Schule verabredet, 50 bis 100 sollen es werden. Zum Vorglühen. Um 9 Uhr morgens. Jeder bringt seinen eigenen Alkohol mit. „Wir wollen halt saufen“, sagt ein weiterer Schüler, ebenfalls minderjährig. Man will ja schließlich Spaß haben.